Mehr als jeder dritte Studierende in Deutschland ist armutsgefährdet. Das sagt das Statistische Bundesamt. Aber wie wird Armut überhaupt definiert? Was sind die Gründe für die finanziellen Probleme bei Studierenden? Welche Hilfen gibt es für Studierende und wie hoch ist die Armutsgefährdung bei Journalismus- und PR-Studierenden?

Ein Beitrag von Olivia Conrad, Sarah Goerke und Luca Hertling

Armutsgefährdung wird nach einer Definition von relativer Armut gemessen. Nach der Definition des Rats der europäischen Gemeinschaft von 1984 gelten Menschen als arm, „die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist.“ Damit sind – laut Statistik der Europäischen Union über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) – Personen gemeint, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung haben. Konkret hat das 2021 in Deutschland bedeutet: Armutsgefährdet sind Personen, die weniger als 15.009 Euro netto im Jahr oder 1251 Euro im Monat zur Verfügung haben.

Besonders armutsgefährdet sind Studierende, die allein oder in einer Wohngemeinschaft leben. Sie sind doppelt so häufig von relativer Armut betroffen als Studierende, die beispielsweise bei ihren Eltern wohnen. Zum Vergleich: In der Altersgruppe über 65 Jahre ist jeder Fünfte in Deutschland armutsgefährdet. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung Deutschlands, ist weniger als jeder Sechste von Armut bedroht.

Steigende Kosten: Für Studierende eine große Last

Im Zuge der Inflation verschärft sich die finanzielle Lage vieler Studierender. Durch steigende Mietpreise und einer signifikanten Erhöhung von Strom- und Gaspreisen stoßen Studierende finanziell immer mehr an ihre Grenzen. Was für Arbeitnehmer in Vollzeit schon eine Herausforderung darstellen kann, wird für viele Studierende derzeit auch zur riesigen Hürde.

Mietpreise in Großstädten kaum bezahlbar

In Berlin beispielsweise zahlen Studierende für Wohnheimplätze des Studentenwerks nun zwischen 15 und 110 Euro mehr pro Monat. Die Kostenerhöhung ist standortabhängig. Einige Standorte werden mit Fernwärme, andere wiederum mit Gas beheizt. Aber Berlin ist kein Einzelfall. Auch in anderen Studentenstädten steigen die Kosten. In Köln wurden die Wohnheimplätze durchschnittlich um 14 Euro, von 266 auf 280 Euro erhöht. Und auch in Hamburg stiegen die Mieten der Wohnheimplätze um ca. 12,50 Euro. Laut Angaben von Bewohnern des Studentenwohnheims in Gelsenkirchen gab es hier sogar eine Mietpreiserhöhung von ca. 40 Euro. 

Auch Studierende in Gelsenkirchen sind betroffen

Aufgrund der Nähe zum Standort der WHS wird als Beispiel der Mietspiegel der Stadt Gelsenkirchen 2019 und 2022 verglichen. Anhand der verglichenen Mietpreisspiegel der Stadt Gelsenkirchen, lässt sich ein deutlicher Anstieg der Mietpreise vom Jahr 2019 zum Jahr 2022 feststellen. Dabei sieht man, dass die Mieten zwischen 2019 und 2022 deutlich gestiegen sind. Die Mietpreise sind auch hier stadtteilabhängig. So stiegen sie im Gelsenkirchener Norden mehr als im Süden. Der Wohnungsmarkt in Gelsenkirchen ist jedoch im deutschen Vergleich noch entspannt. In vielen deutschen Großstädten bekommen Studierende kaum eine Wohnung. Die Wohnungssuche ist mit langen Wartelisten, unverhältnismäßigen Kautionen und horrenden Mieten verbunden.

Kosten für Energie sind explodiert

Auch die Strom- und Gaspreise sind im Jahr 2022 stark gestiegen. Die Abschaffung der EEG-Umlage (Umlage nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz von 3,723 ct/kWh auf 0 ct/kWh) zum 1. Juli 2022 konnte den Anstieg der Strompreise zwar abdämpfen, aber den starken Anstieg der Großhandelspreise konnte diese Maßnahme nicht komplett ausgleichen. Lag der durchschnittliche Preis für eine Kilowattstunde Strom noch bei 24,93 ct/kWh, sind es 2022 rund 43 ct/kWh. Das bedeutet einen Anstieg um über 70 Prozent innerhalb von 10 Jahren.

Der durchschnittliche Gaspreis ist im Jahr 2022 so stark gestiegen wie nie. Im Dezember lag der Preis bei knapp 16,5 ct/kWh. Ein Grund dafür ist die Verknappung des Angebots durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Außerdem werden Gaskunden seit Oktober mit weiteren Mehrkosten belastet. Hierzu zählen die Bilanzierungs-Umlage (114 Euro netto) und die Konvertierungsumlage (8 Euro netto) und die Gasspeicher-Umlage (12 Euro netto). Zur Entlastung der privaten Haushalte sinkt die Mehrwertsteuer auf Erdgas von 19 auf 7 Prozent (befristet bis April 2024). Des Weiteren gab es eine Soforthilfe für Dezember 2022.

Die Strom- und Gaspreise sollen durch eine Preisbremse ab 2023 niedriger gehalten werden. Kurz erklärt:

  • Strom- und Gaspreisbremse gelten ab 1. März 2023, aber auch rückwirkend für die Monate Januar und Februar
  • Der Staat deckelt den Strompreis auf 40 Cent je kW/h und den Gaspreis auf 12 Cent je kW/h
  • Preis gilt für je 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs
  • Die Preisbremse greift automatisch – der Anbieter verrechnet sie direkt mit dem Monatsabschlag
  • Gilt vorerst für das gesamte Jahr 2023

Die Energiepauschale als Lichtblick?

Die Energiepauschale für Arbeitnehmer*innen, Rentner*innen oder Kund*innen der Arbeitsagentur wurden bereits im letzten Jahr umfänglich ausgezahlt. Auch hier warten Studenten bislang noch vergeblich. Ende 2022 gab es Informationen, dass es ab Januar möglich sein soll, die Energiepauschale von 200 Euro online zu beantragen. Allerdings ist diese Beantragung auch jetzt (Stand 16.01.2023) nur theoretisch möglich. Einen praktischen Weg, die Gelder auszuzahlen, gibt es noch nicht. Derzeit werde an einer digitalen Lösung gearbeitet, die die Auszahlung ermögliche. Ob dies noch im Winter zustande kommt, ist momentan ungewiss. Damit rückt diese finanzielle Teilentlastung für Studenten noch in weite Ferne. 

Was genau bedeutet Bafög und inwiefern ist es eine Hilfe?

Bafög ist eine Abkürzung für Bundesausbildungsförderungsgesetz. Es ist eine staatliche Förderung für Menschen, deren Eltern ein Studium oder eine Schulausbildung nicht oder nicht ausreichend finanzieren können. Das Bafög soll es jedem ermöglichen – unabhängig von seiner sozialen und wirtschaftlichen Situation – eine Ausbildung zu absolvieren. Das Ziel ist, dass alle Schüler und Studenten einen Bildungsweg nach ihren Interessen und Fähigkeiten nachgehen können, ohne dass sie nebenher arbeiten müssen.

Doch das Ganze ist einfacher gesagt als getan. Grundsätzlich hat jeder, der ein Studium oder eine Ausbildung absolviert, die Möglichkeit einen Antrag für die Bafög-Zahlung zu stellen. Jedoch ist die Bewilligung und die Höhe der Leistung abhängig von den Einkommen der Eltern. Hierbei entstehen die meisten Abzüge. Hinzu kommt ebenfalls, dass allein die komplexe Beantragung viele abschreckt. Es gibt auf dem Weg der Beantragung viele Stolpersteine, die man beachten muss. Es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein – und vor allem darf es sich nur um eine sogenannte Erstausbildung handeln. Wer also grundsätzlich einen Anspruch auf Bafög hätte, aber bereits vor Jahren eine Ausbildung begonnen hat, bekommt für die aktuelle Ausbildung keine Förderung.

Woraus setzt sich das Bafög eigentlich zusammen?

Der momentane Bafög-Höchstsatz liegt bei 934 Euro. Dieser ergibt sich aus der Summe des Grundbedarfs (452 Euro), Wohnpauschale (360 Euro) für nicht bei den Eltern wohnende Auszubildenden plus Zuschlag zu Kranken- und Pflegeversicherung (122 Euro). Der Zuschlag für Kranken- und Pflegeversicherungen bekommen allerdings nur Studierende, die nicht mehr bei den Eltern familienversichert sein können.

Geht man von dem Höchstsatz aus, hat man also 934 Euro monatlich zum Leben. Davon müssen unter anderem Studium, Miete, Energiekosten und Lebensmittel bezahlt werden.

Das Bafög reicht nicht und jetzt?

Zusätzlich zum Bafög haben Studierende die Möglichkeit nebenbei zu jobben. Jedoch darf der monatliche Verdienst 520 Euro nicht übersteigen. Dazu kommt noch, dass die Menschen, die Bafög beziehen, wegen der Inflation im Schnitt noch weniger Geld zur Verfügung haben. Eine Umfrage unter 34 Journalismus- und PR-Studierenden hat ergeben, dass die meisten Befragten finanzielle Unterstützung von Familie und/oder Freunden bekommen.

Die Ergebnisse der Umfrage sind jedoch nicht repräsentativ für den Studiengang, sondern bilden nur einen kleinen Ausschnitt ab. Aus diesem Ausschnitt sind knapp drei Viertel der Befragten armutsgefährdet. Allerdings nur die Hälfte der befragten JPR-Studierenden hat angegeben, dass sie ihre finanzielle Situation belaste. Das heißt, nicht alle armutsgefährdeten Befragten empfinden ihre Situation als belastend.