Nach vielen Spekulationen ist es mittlerweile offiziell: Sahra Wagenknecht verlässt „Die Linke und gründet eine neue Partei. Jetzt kämpft Die Linke ums politische Überleben.

Von Leon Kaminski

Nach einer monatelangen Hängepartie hat „Die Linke“ Gewissheit – Sahra Wagenknecht verlässt die Partei, um ihre eigene zu gründen. Am 26. September hatte die Politikerin mit einigen Unterstützern das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ als Verein angemeldet, dessen Ziel die Vorbereitung einer eigenen Parteigründung ist. Für die Linke hat dies möglicherweise verheerende Konsequenzen – sie befürchtet einen starken Verlust von Mitgliedern und Wählern.

NRW-Chef sieht „Aufbruchstimmung“

Sascha Wagner, Linken-Chef in NRW, zeigt sich enttäuscht über die Situation: „Wir wollten Brücken bauen, aber Frau Wagenknecht hat alle Gesprächsangebote abgelehnt. Es macht mich traurig, dass Abgeordnete ihre Mandate nicht zurückgeben, die sie ohne die Arbeit der Partei nicht bekommen hätten.“ Falls dies so käme, würde die Linke ihren Fraktionsstatus im Bundestag verlieren. Trotzdem sieht Wagner auch Grund für Optimismus: „Wir sehen deutlich weniger Austritte, als vorher vermutet wurde. Wir haben auch schon wieder Zutritte in die Partei. Ich verspüre momentan eine Aufbruchstimmung.“ Der Wagenknecht-Konflikt müsse nun als beendet angesehen werden. Die Partei wolle einen Schwerpunkt auf Sozial-, Arbeitsmarkt- und Wohnungspolitik legen, um wieder zu erstarken, so Wagner weiter.

Die Linke im Umfragetief

Wagenknecht selbst hatte ihren Parteiaustritt und die Gründung einer neuen Partei auf der Bundespressekonferenz Ende Oktober so erklärt: „Wir haben uns zur Gründung einer neuen Partei entschieden, weil wir überzeugt sind: So wie es derzeit läuft, darf es nicht weitergehen. Denn sonst werden wir unser Land in zehn Jahren wahrscheinlich nicht mehr wiedererkennen.“ Infolge ihres Austritts käme die Linke laut der aktuellen „Sonntagsfrage“ des Meinungsforschungsinstituts INSA derzeit nur auf vier Prozent der Stimmen, wäre somit nicht im Bundestag vertreten. Eine bedrohliche Situation für die Partei, meint auch der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Constantin Wurthmann von der Universität Erlangen-Nürnberg: „Die Situation kann existenzbedrohend sein, wenn die Partei nicht bald ein Alleinstellungsmerkmal findet. Soziale Gerechtigkeit bespielen andere Parteien, Friedenspolitik ebenso. Die Linke braucht ein positives Verständnis der eigenen Identität.“

Der Abgang von Sahra Wagenknecht (Foto) stürzt die Linke in eine tiefe Krise.   Foto: Pixabay.com

Die Linke als radikal-ökologische Partei?

Wie geht es nun weiter für die Linke? Im nächsten Jahr stehen in Ostdeutschland die Landtagswahlen an, doch der Rückhalt in den früheren Hochburgen bröckelt. Prof. Dr. Wurthmann blickt in die Zukunft: „Mein Eindruck ist, dass die Linke existenziell auch weiterhin davon abhängig ist, insbesondere die regionalen Hochburgen in Ostdeutschland zu verteidigen. Daher wäre es relevant, gerade die dort spezifischen Interessen der Menschen noch einmal klarer in den Blick zu nehmen. Alternativ kann die Linke sich als radikal-ökologische Alternative positionieren, wie sie es auch in der Personalaufstellung für die Europawahlen gerade versucht.“ Ob dies erfolgsversprechend sei, könne Wurthmann nur „schwer sagen“.

Umstrittene Aktivistin kandidiert

Für die Europawahl im Juni 2024 hatte die Partei zuletzt bekanntgegeben, dass hinter dem Parteivorsitzenden Martin Schirdenwan auch die umstrittene Flüchtlingsaktivistin und Kapitänin Carola Rackete kandidieren wird. Auch bei der Europawahl ist mit herben Verlusten zu rechnen. Seit ihrer Gründung 2007 war die Linke bislang in jedem Bundestag vertreten. Sollte sie 2025 den Einzug in den Bundestag verpassen, müsste sie im Bund zum ersten Mal als außerparlamentarische Opposition fungieren. Dies tut auch Sascha Wagner mit der NRW-Linken, der einen klaren Kurs vorgibt: „Die schwarz-grüne Landesregierung bietet genügend Angriffsfläche“, hier müsse man nun ansetzten.