Eine Reportage von Maren Buschhüter
Markus Schrobback ist schon seit 28 Jahren Physiotherapeut und das mit Leidenschaft. Nachdem er selbst in Behandlung musste, gefiel ihm der Beruf so gut, dass er direkt mit der Ausbildung begann. Für ihn ist der Beruf auch eine Herausforderung.
Patienten treten an die Rezeption und nehmen anschließend Platz. Nur die Telefonate von der Rezeption sind hinter einem grauen Tresen zu hören. In knapp zwanzig Minuten geht es für Markus Schrobback in die nächste Behandlung. Neben der klassischen Ausbildung ist er auch Heilpraktiker, arbeitet mit Blutegeln, Akupunktur und Chiropraktik. Heute stehen 24 Patienten auf dem Plan – eine Pause ist hier nicht drin. „Ich arbeite auch samstags“, sagt er. Doch das macht ihm nichts aus, weil ihm sein Beruf so viel Spaß macht.
Bis vor kurzem hatte er noch seinen Praxispartner an der Seite. Doch dieser ist leider verstorben. Diese Woche arbeitet er insgesamt 55 Stunden. Und trotzdem bleibt seine Leidenschaft bestehen. „Mich fasziniert, dass man helfen kann“, sagt er. „Das merken auch die Patienten, die mich dann auf meine positive Energie ansprechen. Auch die Gespräche mit den Patienten machen den Job noch spannender für mich. Ich möchte helfen und das kann ich hier meistens.“ Genau deswegen ist der Job seine Berufung.
Hell und freundlich – das beschreibt das Wartezimmer wohl am besten. Auf beigen Parkett stehen schwarze schwere Stühle und an der Wand hängen Zeitschriften in dunklen Halterungen. Die Patienten hängen ihre Jacke neben der Tür auf. Die Rezeptionisten führen Telefonate und tragen Termine ein. Rechts vom Tresen führt ein Flur zu Markus Schrobback. Eine weiße Hose, ein orangenes T-Shirt und weiße Schuhe – dieses Outfit begleitet ihn jeden Tag aufs Neue. Das gründliche Händewaschen vor der Behandlung vergisst er nie. Hier atmet er noch einmal durch und ist dann bereit für den ersten Patienten im Behandlungszimmer.
Auch hier ist alles hell und offen gestaltet. Im Zentrum steht eine Liege, überdeckt mit einer Wolldecke, darüber ein weißes Tuch und schließlich ein Braunes Handtuch. Auch ein Crosstrainer steht in einer Ecke. Die Wände werden von Schränken bedeckt und ein Bild auf dem Boden zeigt verschiedene neuronale Abbildungen. Ein Eyecatcher bietet ein Skelett mit Weihnachtsmütze. Vereinzelte Stimmen und vorbeifahrende Autos werden von draußen in das Zimmer getragen.
Ein Schmerz im ganzen Körper
Ein älterer Herr in einem Jogginganzug tritt ein und Schrobback schüttelt ihm freundlich die Hand. Der Patient zieht seine Schuhe aus und legt sich auf die Liege. Er hat seit Jahren Kieferprobleme, die mittlerweile Auswirkungen auf den gesamten Körper haben. Die Schmerzen gehen bis in die Oberschenkel, doch die Behandlung hat über die Jahre hinweg geholfen. Markus Schrobback legt ihm eine Rolle unter die Beine, zieht eine Maske auf und desinfiziert die Akkupunkturnadeln, ehe er mit der Behandlung beginnt. Der Patient merkt davon kaum etwas und ist dabei ganz entspannt. Genau so soll es sein. Die Akupunktur kann in diesem Fall die Durchblutung fördern und somit die Kieferschmerzen lindern.
Grundsätzlich ist man in diesem Beruf auf die Körperhygiene der Patienten angewiesen, doch wenn das mal nicht der Fall ist, weiß er sich auch zu helfen. „Dann nehmen wir Öl mit viel Geruch, um den unangenehmen Geruch zu dämpfen.“
Mit konzentriertem Blick beginnt er den Nacken und die Kieferpartie zu massieren. Anschließend zieht er sich einen blauen Gummihandschuh über und fährt mit dem Daumen am Kiefer in der Mundhöhle entlang. Zwischendurch führt Schrobback ein wenig Smalltalk: „Nächste Woche ist doch noch ein Fußballspiel“, dann ist es wieder still.
Manchmal ist die Hilfe begrenzt
Bei dem nächsten Patienten wird es schon deutlich komplexer: Ein Mann Mitte 50 mit Polyneuropathie. Eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der mehrere Nerven gleichzeitig betroffen sind. Typische Symptome: Taubheit, Schmerzen, Muskelschwund und Koordinationsprobleme im ganzen Körper. Eine Ursache kann unter anderem eine Autoimmunerkrankung sein. Normalerweise tritt diese Krankheit nur auf einer Seite auf. Dieser Patient leidet jedoch beidseitig darunter. Schrobbacks Ziel, die Patienten besser zu machen kann hier nicht mehr umgesetzt werden. Hier geht es nur darum, das Krankheitsbild nicht schlimmer werden zu lassen. Der Patient setzt schwerfällig einen Fuß vor den anderen und nimmt Platz. Über ein Fußpedal lässt Schrobback die Liege höher fahren, die solange brummt, bis er den Fuß wieder herunter nimmt. Dann massiert er die Fußgelenke und der Patient soll die Füße zur Nase ziehen. „Gegen halten! Gegen halten!“ motiviert Schrobback ihn. Das geht allerdings kaum. Das Gesicht des Mannes verkrampft sich und er beißt die Zähne zusammen. „Gut. Jetzt beide Füße hochziehen und halten.“ Mit viel Schwung rollt er auf seinem Hocker um den Patienten herum, um die Beine auf beiden Seiten zu massieren. Kontrolliert träufelt er ein neutrales Massageöl auf seine Hände und verteilt dieses auf den Beinen des Patienten. „Man merkt, ob die Patienten ihre Hausaufgaben machen oder nicht. Wenn sie die Übungen nicht machen, wird es auch nicht besser“, erklärt er.
Ohne den Kopf funktioniert auch der Körper nicht
Die Übungen allein reichen nicht. Auch die Psyche ist ein riesiger Baustein. „Wenn die Psyche nicht mitspielt, haben wir als Physios kaum eine Chance, zu helfen. Es kommen auch viele depressive Menschen mit nach vorne hängenden Schultern, da brauche ich die Mitarbeit eines Psychologen.“ Doch der Beruf bietet noch weitere Hürden: „Die größte Herausforderung ist manchmal, den Patienten zu nehmen, wie er ist.“ Denn nicht mit jedem Patienten lässt sich der klassische Smalltalk führen und manche haben bereits zu Hause die Google Suchmaschine nach ihrer möglichen Diagnose befragt und glauben alles bereits zu wissen.
Die Arbeit bitte nicht mit nach Hause nehmen
Ein Patient ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Die Diagnose: Amyotrophe Lateralsklerose. Eine unheilbare Erkrankung, bei der Nerven vom Gehirn bis zum Rückenmark geschädigt werden. Die Betroffenen können sich nicht mehr bewegen und nicht mehr sprechen. Meistens führt dies innerhalb kürzester Zeit zur vollständigen Lähmung, inklusive der Atemmuskulatur und das schließlich zum Tod. „Wenn du jemanden über einen längeren Zeitraum behandelst und du weißt, dass er sterben wird, dann ist es besonders schwer an die Behandlung heranzugehen. Man muss vorher eine Idee haben, wie man das für sich verarbeitet.“
Mit 28 Jahren Erfahrung und einer breiten Palette an therapeutischen Fähigkeiten, weiß Markus Schrobback ganz genau, wie wichtig es ist, den Körper mit der Psyche in Einklang zu bringen. Und trotz einer 55-Stunden-Woche, wird eine wahre Berufung wohl niemals langweilig.
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