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Bafög, Stipendium, Nebenjob: Studierende tun alles, um finanziell unabhängig zu sein. Trotzdem leben immer mehr Studenten in Armut und brauchen Unterstützung. Genau so geht es Julia Richter, die 21-Jährige kann sich gerade so über Wasser halten, sie opfert viel für ihr Studium.

Von Alexa Bracht

Montagmorgen, 11Uhr. Julia Richter ist auf dem Weg zum Supermarkt: Der Wocheneinkauf steht an. Die 21-jährige studiert Sozialpädagogik in Dresden. Mit ihrem gelben Regenschirm in der linken Hand und ihrer roten Tote bag in der anderen, läuft sie durch die Türen des Supermarkt. Die Brille, die vorher auf ihrem Kopf saß, sitz nun auf ihrer Nase. Julia läuft mit schnellem Schritt durch den Laden, denn sie weiß genau, was sie braucht.  Am ersten Regal angekommen, holt sie einen Einkaufszettel aus ihrer Tasche. Auf ihrem Zettel stehen genau fünf Sachen. Brot, Nudeln, Tomatenmark, Gemüse und Tee. „Für mehr reicht es leider oft nicht, weil ich mein Geld echt sparen muss“, sagt Julia. Sie steht mit einem skeptischen Blick und zusammengezogen Augenbrauen vor dem Regal. Die No-Name Nudeln sind ausverkauft, seufzend nimmt sie die teureren Nudeln.

Ihr Einkauszettel klemmt nun hinter ihrem Handy und Julias Finger tippen schnell auf ihrem Handy herum. Sie rechnet aus wie viel Geld sie ausgibt. Der Preis von jedem Produkt wird direkt in den Taschenrechner eingetragen, um auszurechnen, dass sie nicht zu viel Geld ausgibt. „Ich verdiene im Monat zwar 520 Euro, aber nachdem die Miete, Versicherungen und alles andere abgezogen sind bleibt für mich nur noch um die 120 Euro. Es ist wichtig das Budget im Auge zu haben“, erklärt die 21-Jährige.

Julia weiß genau, wo die Produkte sind, die sie braucht. Sie schaut nicht einmal in die Richtung anderer Produkte. „Ich will nichts kaufen was ist nicht brauche. Was ist nicht sehe kann ich nicht kaufen“, sagt sie lachend.

An der Kasse angekommen schaut sie skeptisch auf den Bildschirm, um zu sehen, dass kein Artikel falsche eingescannt wird. Mit einem Lächeln verabschiedet sie sich von der Verkäuferin und ihr Blick fällt direkt auf den Kassenbon. Julias Auen scannen jedes Produkt und den passenden Preis, um sicher zu gehen, dass sie nicht zu viel für ein Produkt bezahlt hat.

Second Hand anstatt Brand New

Julia sucht schon seit ein paar Wochen nach neuer Kleidung. Sie hat vor ein paar Tagen erst einen neuen Second Hand Laden in der Innenstadt entdeckt. Julias Augen werden groß, als sie sieht, wie viel Auswahl der Laden hat. „Ich kaufe nicht oft neue Kleidung, meistens kriege ich die Sachen, die meine Geschwister nicht mehr tragen wollen. Wenn ich etwas neu kaufe, dann nur weil es echt dringend ist“, erklärt Julia.

Auf der anderen Seite des Ladens sieht sie einen schwarzen Pullover und ihr Mund formt sich zu einem O. Sie rennt fast durch den Laden und nimmt sofort den Pullover in der Hand. Die Suche nach einer Jeans stellt sich härter heraus. Julia schaut sich jede Jeans mit einem kritischen Blick an. Doch dann findet sie die Jeans, nach der sie gesucht hat.

Auf dem Weg zur Kasse sieht sie schwarze Stiefel und sie bleibt mitten auf dem Weg stehen. Sie schaut sich die Schuhe mit großen Augen an, doch dann fällt der Blick auf das Preisschild und der freudige Ausdruck auf ihrem Gesicht ändert sich zu einem enttäuschten. „30 Euro für neue Stiefel kann ich nicht ausgeben“, sagt Julia enttäuscht.

Julia ist dennoch froh mit ihren Funden, an der Kasse bezahlt sie nur zehn Euro. „Ich würde am liebsten einen neuen Pullover von Nike oder Adidas haben, aber dafür reicht mein Geld leider nicht. Hier bekomme ich Kleidung im guten Zustand für wenig Geld. Was will ich mehr?“

Zwischen Miete und Hoffnungsschimmer

Zuhause angekommen sieht sie zuerst in ihrem Briefkasten nach ob neue Post da ist, und tatsächlich, zwei neue Briefe. „Das ist wahrscheinlich die Miete und das andere wegen meinem Stipendium“, sagt Julia gespannt. Als sie dir Tür zu ihrer Wohnung aufschließt, wartet eine kleine Katze direkt neben dem Schuhschrank. Julia nimmt die Katze in die Arme und läuft in ihre Küche. Ihre Wohnung hat zwei Zimmer und man sieht, dass Julia wirklich nur das nötigste in ihrer Wohnung hat. Nicht viel Deko und die wenig Möbel.

Julia sitzt mit den Briefen schon in der Küche an einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Ihre Einkäufe hat sie schon neben ihrer Spüle ausgeräumt. Sie nimmt ihren Schlüsselbund mit einem grünen Schlüsselanhänger in die Hand und öffnet den ersten Brief. Wie erwartet geht es um die Miete. Julia bezahlt für ihre Zwei Zimmer Wohnung monatlich 380 Euro Kaltmiete, da diese etwas außerhalb der Innenstadt liegt. „Am liebsten würde ich in einer WG wohnen, weil die Miete da natürlich weniger ist, aber ich habe auf die Schnelle keine WG mehr gefunden“, erzählt sie.

Sobald Julia den zweiten Brief in die Hand nimmt, merkt man, dass sie nervös ist. Auf einmal wird sie blass im Gesicht und sie atmet einmal tief ein, bevor sie den Brief wirklich öffnet.

„Ich habe mich für das Deutschlandstipendium beworben, um monatlich ein bisschen mehr Geld zu haben. Bei den anderen zwei Stipendien wurde ich aber schon abgelehnt, deswegen hoffe ich umso mehr, dass es dieses Mal geklappt hat.“, erzählt sie hoffnungsvoll.

Sie überfliegt den Brief mit ihren Augen, doch ihr Pokerface verrät das Ergebnis des Briefes nicht. Doch dann legt sie den Brief mit einem seufzen auf den Tisch und ihr Blick bleibt auf dem Boden. „Schon wieder abgelehnt“, sagt Julia.

Finanzielle Herausforderung und persönliche Stärke

Julia rafft sich schnell wieder auf, die Absage landet letztendlich im Müll. „Das Leben geht weiter, dann muss ich halt mehr arbeiten gehen“, sagt Julia.

Inzwischen ist es 14:30 Uhr und Julia fängt um 15 Uhr ihre Schicht im Restaurant in der Innenstadt als Kellnerin an. Ihr Job ist ihre einzige Einnahmequelle, mit dem sie die ihr Studentenleben finanziert. In der Woche arbeitet sie um die 30 Stunden.

„Ich komme von der Uni nach Hause und mache mich sofort für die Arbeit fertig. Ich würde gerne zuhause bleiben und lernen oder einfach nur auf meiner Couch relaxen, aber ich muss Geld verdienen, um diese Wohnung zu behalten und mir Essen auf den Tisch zu bringen“, erklärt Julia.

Als sie erklärt, warum sie kein Bafög bekommt, hält sie keinen Augenkontakt und ihr trauriger Gesichtsausdruck ist nicht zu übersehen. „Meine Eltern verdienen 100 Euro mehr als das, was ´erlaubt´ ist. Sie müssen aber ihr eigenes Leben finanzieren und können mir nicht groß helfen. Klar helfen sie mir, wenn ich wirklich in finanziellen Schwierigkeiten stecke und es echt knapp wird, aber sie können nicht mein ganzes Leben finanzieren“, sagt Julia, als sie sich ganz unauffällig eine Träne wegwischen will.

Auf einmal klingelt ein Handy und ein Pop Song ertönt durch die ganze Wohnung. Es ist Julias Handy und am anderen Ende ist eine ihrer Kommilitoninnen. Julias Gesicht leuchtet und sie ist während des ganzen Gesprächs am Lächeln. Doch dann fällt das Lächeln und wird von einem enttäuschten Blick ausgewechselt. Julia wird zum Stammtisch in einer Bar eingeladen. „Ich muss arbeiten“, sagt sie mit einem Seufzer. Nach dem sie aufgelegt hat, atmet sie einmal tief aus.

„Manchmal wünschte ich mir das es anders wäre und ich finanziell unabhängig wäre. Ich könnte kaufen, was ich möchte, und ich muss mir keine Sorgen machen, ob ich genug essen für nächste Woche habe oder ob ich nächsten Monat noch meine Wohnung leisten kann. Ich fühle mich vom Staat im Stich gelassen, aber ich bin stark und die Situation macht mich zu dem Menschen der ich heute bin. Hoffnungsvoll, Stark und Selbstständig.“

Doch Julia weiß, dass sie das ganze nicht umsonst macht. „Das Studium ist eine Investition in meine Zukunft. Die Entbehrungen, die ich heute mache, werden sich langfristig auszahlen“.