Bildunterschrift: Flugbegleiterin Marina (links) alias Martin und seine Männergruppe. Foto: Janette Drzymala
Der Karneval in der Kölner Südstadt ist für Lilly mehr als ein traditionelles Fest – es ist ein buntes Gemeinschaftserlebnis, bei dem Herkunft und Alltag für einen Tag lang verschwimmen. Von früh bis spät geht es nur um das Miteinander: Schunkeln, trinken und singen.
Eine Reportage von Janette Drzymala
Mit Musik in den Tag schunkeln
Montagmorgens geht es für viele zur Arbeit. Nicht für Lilly. Die Architekturstudentin tauscht ihren Uni-Jeans gegen ein Meerjungfrauenkostüm. Untypisch, denn Lilly kommt ursprünglich aus Thüringen und ist für ihren Master nach Köln gezogen. Ihr erstes Karnevalserlebnis ist für sie ein Volltreffer: „Es ist egal, ob du aus Köln kommst oder nicht – du bist einfach dabei!“ Mit dem viel zu engen Blau-Grünen Rock, dass an ein Schuppenkleid erinnert, geht es in die Straßenbahn.
Die Stimmung zeigt keinen langweiligen Wochenbeginn, sondern wird schon nach den ersten Haltestellen zum Chlodwigplatz von lauten und bunten Karnevalisten gefüllt. Die Karnevalslieder übertönen die Durchsage, schon jetzt übernehmen Lachen und Schunkeln das Ruder.
Countdown am Chlodwigplatz
Um 11:11 Uhr geht der Countdown am Chlodwigplatz los. Zehn, neun, acht – die Menge zählt mit, und bei null explodiert der Jubel wie an Silvester: „Alaaf“-Rufe, Umarmungen und Lachen erfüllt die Luft.
Es ist das typische Karnevalsgefühl, das jeden in seinen Bann zieht. Ein Zeichen von Freundschaft, Gemeinschaft und Tradition. Die Zahl Elf gilt traditionell als „närrische“ Zahl, weil sie „außerhalb der Norm“ galt. Sie steht zwischen der Zehn, die die Vollständigkeit symbolisiert und zwischen der Zwölf, für Perfektion und Ordnung. Und wird dadurch zur närrischen Zahl, die zu Karneval passt, da gesellschaftliche Normen über Karneval oft auf den Kopf gestellt werden.
Die bunte Mischung der Südstadt
Es ist ein bunter Mix aus Menschen, die man in der Stadt trifft. Eine Männergruppe, verkleidet als ein Flugbegleiter-Team, zieht die Aufmerksamkeit ganz auf sich.
Mit dabei, nicht nur das passende Kostüm, sondern ein Servierwagen aus einem Flugzeug, damit ziehen sie mit ausreichend Bier durch die Straßen. Alles auf hohen Schuhen: „Durch den Schmerz müssen wir zusammen durch“, sagt Flugbegleiterin Martina alias Martin, der mit Lilly und ihren Freundinnen ins Gespräch kommt, als sie die Klebestreifen an den schwarzen Pumps sehen.
Es ist voll auf den Straßen, auch in diesem Teil von Köln. Verliert man seine Gruppe findet man schnell Anschluss, ohne eine große Hemmschwelle.
„Will jemand Glitzer?“, schreit Lilly durch die Menge Zwei Sekunden später zischen die bunten Partikel immer wieder in der Menge auf.
Von früh bis spät: Drink doch eine met!
Gegen 16:00 Uhr ist nicht mehr viel von der 11 Uhr Stimmung übrig. Der Chlodwigplatz leert sich und übrig bleiben leere Glasflaschen und Scherben. „Es ist einfach ein Random-Montag und die Leute feiern, als ob es Samstag wäre“, ruft Leonie, eine Freundin von Lilly, die ebenfalls neu in die Stadt gezogen ist. In Köln ist der 11.11 der Stichtag zur Sessions-Eröffnung. Das Datum hat dazu eine Verbindung zu kirchlicher und weltlicher Tradition:
Der 11. November ist der Martinstag, der für den Abschluss des Erntejahres und Beginn einer Fastenzeit in Vorbereitung auf Weihnachten steht. In früheren Jahrhunderten diente der Karneval dazu, vor der Fastenzeit nochmal ausgiebig zu feiern.
So wird auch bei Lilly der Kaffee morgens gegen das Kölsch getauscht.
Trommelwirbel für das Finale
Eigentlich wollte Lilly schon auf dem Heimweg sein, als lautes Trommeln die Karnevalsmusik übertönt. Wie bei den Karnevalszügen zieht die kleine Trommel-Band die übrigen Menschen mit sich. Im Kreis versammelt erinnert die kleine Party an einen Rave, alle bewegen sich zu dem Beat. Es wird gesprungen, rhythmisch im Takt genickt oder wild umhergedreht.
„Zugabe, Zugabe!“, ruft die restliche Truppe, die am Chlodwigplatz noch nicht genug hat. Eine letzte Feierwelle geht los – alle sind dabei. Von Schunkeln, zu springen, ein letztes Mal Umarmen und die Zeit genießen.
In Köln ist Karneval nicht nur ein Fest, es ist eine Jahreszeit. Eine Tradition, die von klein auf voller Freude, Musik und Zusammenhalt geprägt ist. In der Lilly jetzt auch dazu gehört.
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