Bildunterschrift: Sorgfalt und Erfahrung: Sandra Gerling punktiert eine Spenderin– der Beginn einer lebensrettenden Blutspende (Foto: Eveline Plebanek)
Seit 26 Jahren ist Sandra Gerling beim Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) tätig. Diese Erfahrung macht es ihr möglich routiniert und präzise eine lebensrettende Arbeit auch unter Zeitdruck zu meistern.
Eine Reportage von Eveline Plebanek
12:09 Uhr – Sandra Gerling registriert mit einem kurzen Piepton an der Stempeluhr ihren Arbeitsbeginn in Kamp-Lintfort. Die Räume sind angenehm warm aufgeheizt. Sie geht durch die nächste Tür, direkt in die große LKW-Halle. Plötzlich wird es wieder kalt. Die Wände sind weiß, der Boden aus grauem Beton. Drei rot-weiße LKWs stehen nebeneinander, in den Ecken befinden sich kleinere Lagerräume. Sandra begrüßt ihre Kollegen. Diese bereiten den LKW für den heutigen Blutspendetermin in Goch vor.
Alle Arbeitsmaterialien in einem LKW verstaut
Sandras Kollegen füllen insgesamt vier volle Karren auf und laden diese anschließend nach und nach auf den LKW. Fünf sind bereits auf der Ladefläche. Darauf befinden sich Betten, Tische, Blutbeutel, Laborröhrchen, Tupfer, Desinfektionsmittel, Getränke, Ordner, Stauschläuche, Kühlboxen, Laptops und vieles mehr. Sandra ist heute für den Terminbericht zuständig. Sie geht in einen Büroraum nebenan und füllt konzentriert ein Formular mit Namen der Mitarbeiter und der geplanten Terminzeit aus. Später kommen die tatsächlichen Uhrzeiten und die Raumtemperatur während des Termins dazu. „Ich bin froh heute wieder mit meinem gewohnten Team 8 zu fahren, wir sind ein eingespieltes Team, wo alle gleichermaßen mitarbeiten“, sagt Sandra.

Nachdem sie sich in der Garderobe ihre weiße Arbeitskleidung angezogen hat, mit DRK Logo und Namensaufdruck auf der linken Brust, steigt sie mit zwei Kollegen in den LKW. Diese wechseln sich mit Hin- und Rückfahrt ab. Vor Ort in Goch erwarten Sie drei weitere Kollegen des Standorts Breitscheid. Rund 45 Minuten fahren sie zum Termin, es ist sehr nebelig. „Die langen Anfahrtsweg sind nur stressig im Sommer, wenn es heiß ist oder wenn man lange im Stau steht“, sagt Sandra.
Bestandteil der Gesundheitsversorgung
Jeden Tag werden rund 15.000 Blutspenden in Deutschland benötigt. Der DRK- Blutspendedienst West ist eine gemeinnützige Organisation, die Praxen und Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarlandversorgt. Die Entnahmeteams sind also mobil und auf verschiedenen Blutspendeterminen in der gesamten Region tätig. Das bedeutet jeden Tag andere Arbeitszeiten, oft lange Anfahrten und unterschiedliche Bedingungen unter denen sie arbeiten müssen. „Es kommt schon vor, dass man mal 10 Stunden auf der Arbeit ist. Als ich noch am Standort Breitscheid war, waren es mit eigener Anfahrt 12 Stunden Tage. Nicht so häufig sind die kurzen, sieben Stunden Tage, aber darüber freut man sich dann“, sagt Sandra dazu.
13:18 Uhr – Ankunft an der Freiherr-von-Motzfeld Schule in Goch-Pfalzdorf. Der LKW wird entladen und die Karren in die Pausenhalle geschoben. Die Decken sind hoch, die Wände aus rotem Backstein. Es hängen selbstgemalte Bilder der Grundschüler an den Wänden, teilweise riecht man noch die Farben. Grundschule bedeutet auch kleine Tische und Stühle, mit denen das Team heute arbeiten muss.
Der Arbeitsplatzentsteht
In Absprache mit der Teamleitung bauen alle gemeinsam die einzelnen Stationen auf. Dazu gehören die Anmeldung, ein Raum für das Ausfüllen des Spenderformulars, die Vitalwerte-Messung, das Arztgespräch und der vertrauliche Selbstausschluss. Darauf erfolgt die Ausgabe des Blutbeutels und der Laborröhrchen, die alle mit entsprechenden Barcodes beklebt werden müssen. Erst dann kommt es zur eigentlichen Spende und einer Erholung auf den Ruhebetten. Dafür müssen Tische, Stühle und Betten aufgebaut und entsprechend ausgestattet werden. „Die unterschiedlichen Bedingungen vor Ort sind oft eine Herausforderung. Oft müssen Klassenräume ausgeräumt und abends wieder eingeräumt werden. Das macht man zwar gemeinsam, doch trotzdem ist es teilweise sehr anstrengend.Vor einigen Jahren gab es eine super Verbesserung indem man keine Räumlichkeiten in der ersten Etage mehr für die Blutspende vorsieht. Früher mussten wir unser ganzes Material nach oben tragen“ erzählt Sandra.
Außerdem trifft das Team hier auf die regionalen Ehrenämtler des DRKs, die bei der Anmeldung helfen und einenkleinen Imbiss für die Spender organisiert haben. Die zwei Ärzte kommen ebenfalls direkt zum Terminort.
Wegen der reibungslosen Anfahrt bleibt heute genug Zeit für eine Mittagspause vor dem anstehenden vierstündigen Termin.
Die Spender kommen und gehen
Es ist kurz vor drei, die ersten Spender stehen bei der Anmeldung. Sandra ist heute Punktionskraft, das heißt sie führt die Blutentnahme durch. Die Station an der man eingesetzt wird, kann an jedem Termin variieren. „Ich brauche keinen Job, bei dem ich immer was Neues lernen muss“, erzählt Sandra. Denn was jetzt folgt, ist Arbeit wie am Fließband – im positiven Sinne. Alle Mitarbeiter wissen genau, was zu tun ist, auch unter Zeitdruck. Auf acht Betten kommen vier Punktionskräfte. Eine gute Besetzung, die nicht selbstverständlich ist.
Die Halle füllt sich zunehmend, an jeder Station befinden sich fünf bis zehn Menschen. Nun begrüßt Sandra den nächsten Spender. „Manche Spender kommen zu jedem Termin in ihrem Ort, da kennt man sich schon“, erzählt sie. Wie Martin M., welcher heute bereits zum 164ten Mal Blut spendet. Aus persönlichen Gründen wurde der Name geändert. Sandra fragt Namen und Geburtsdatum ab und tastet nach einer geeigneten Vene. Parallel desinfiziert sie einen Tupfer und scannt die Barcodes auf den Formularen ab. Dann führt sie eine etwa ein bis zwei Millimeter dicke Nadel ein. Es werden drei bis vier Laborröhrchen für die Untersuchungen entnommen und sie kann sich dem nächsten Spender widmen. Eine Spende von etwa 500 Millilitern dauert in der Regel acht bis 15 Minuten.
Stimmen schwirren durch die Halle, die Waagen piepen wenn genug Blut im Beutel ist und die Abnahme erfolgen kann.„So, sie haben es geschafft, wie fühlen sie sich?“, fragt Sandra während sie die Nadel entfernt und einen Tupfer miteinem Pflaster und genug Druck an der Einstichstelle befestigt. Wenn alles in Ordnung ist, schickt sie den Spender zum Ruhebett. Den Blutbeutel nimmt sie mit zu einem Tisch und schiebt mit einem kleinen Werkzeug das restliche Blut im Schlauch Richtung Beutel bevor sie den Schlauch abschweißt. Den Beutel legt sie in die Kühlbox, die Laborröhrchen werden in ein Gitter einsortiert. Das alles macht sie konzentriert, schnell und routiniert. Zeit zum Entspannen oder Reden ist hier nicht, denn der nächste Spender wartet und die nächste Waage piept. Ein Blutgeruch ist zu keinem Zeitpunkt wahrnehmbar.

Schnelle Reaktion gefragt
Vier Stunden lang geht sie so von Bett zu Bett. „Finger bewegen, bitte“, „Geht es Ihnen gut?“, „Bitte Platz nehmen“, wiederholt sie. Dabei schaut sie sich regelmäßig um, ob bei den Spendern alles in Ordnung ist. Bei einer Frau droht ein Kollaps, sofort senkt Sandra ihre Rückenlehne und platziert ein weiches hohes Kissen unter ihren Beinen, damit ihr Blutbesser in das Gehirn strömt. Einer der Ärzte wurde währenddessen informiert, dieser eilt umgehend zur Spenderin. Glücklicherweise ist sie noch ansprechbar und fühlt sich schnell besser. Auch solche Momente sind Alltag für Sandra.
Gemeinsamfür den guten Zweck
Durch eine Bekannte, die bereits beim DRK Blutspendedienst gearbeitet hat, ist Sandra Gerling vor 26 Jahren auf den Beruf aufmerksam geworden. Sie ist gelernte Arzthelferin und hatte vorher dementsprechend mit kranken Menschen zu tun. „Mir gefällt die Arbeit mit gesunden Menschen“, erzählt Sandra. Auch wenn genau das, die Arbeit mit Menschen, gleichzeitig eine Herausforderung sein kann. „Ich bin sehr harmoniebedürftig und meide Stress“, sagt sie. So versucht sie, sich immer mit allen gut zu verstehen – egal ob Spender, Ehrenämtler oder Kollegen.
18:48 Uhr – die Anmeldungen müssen gestoppt werden, denn auch kurz vor Schluss kommen noch viele Spender. Der Termin wird länger dauern als geplant. 144 Spender konnten an diesem Tag spenden, das sind etwa 36 pro Stunde. Alles, was aufgebaut wurde, muss wieder eingepackt und sicher im LKW verstaut werden. Dazu kommen jetzt noch 72 Liter gespendetes Blut.
Lange Arbeitstage
20:54 Uhr – Zurück am Standort Kamp-Lintfort laden die LKW-Fahrer die vier Karren aus. Die Kühlboxen mit den Blutbeuteln werden im Lager umgepackt. Noch am gleichen Abend wird das Blut abgeholt und zum Zentrallabor nach Hagen gefahren. Zum einen wird es auf Leberentzündungen, das HI-Virus, Syphilie und das Parvovirus B19 getestet. Zum anderen wird es in rote Blutkörperchen, Blutplättchen und in die Blutflüssigkeit aufgetrennt und zu Blutpräparaten für Transfusionen weiterverarbeitet.
21:18 Uhr – Nach den Vorbereitungen für den nächsten Tag stempelt Sandra aus. Die Arbeitszeiten variieren täglich, je nach Terminlänge, Spenderanzahl und Entfernung des Terminorts. Was feststeht: Ein 9-5 Job ist es nicht, doch Mitarbeiter sowie Spender retten Leben – jeden Tag.
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