Bildunterschrift: Nach der Schule gibt es viele Möglichkeiten. Ein Bundesfreiwilligendienst ist eine von vielen Optionen (Foto/Pixabay)
Zwischen Schule und Studium entscheiden sich viele junge Menschen für ein Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich der Kinderbetreuung. Eigentlich eine gute Sache, die aber vielen Freiwilligen zum Verhängnis wird.
Von Julia Werner
Sie wollen helfen – nicht wissend, dass sie am besten schon das fachliche Know-how mitbringen sollen. Dabei soll ein Bundesfreiwilligendienst (BFD) vielen jungen Menschen nach der Schule eine Orientierung verschaffen. Sehr beliebt ist ein BFD an Grundschulen und Kindergärten. Doch das, was junge Menschen als unausgebildete Freiwillige leisten müssen, geht weit über die zusätzliche Unterstützung für Lehrkräfte und Pädagogen hinaus. Sie werden mit den Kindern alleingelassen, müssen Überstunden ableisten und sind gleichzeitig billige Arbeitskräfte.
Keine billigen Pädagogen
Asya K. ist ehemalige Freiwillige einer Kinder- und Jugendeinrichtung in Gelsenkirchen. Aus Gründen der Privatsphäre und persönlichen Erfahrungen möchte sie weder ihren vollständigen Namen noch ihre ehemalige Arbeitsstelle nennen. Sie fühlte sich in ihrem Freiwilligenjahr häufig ausgenutzt und alleingelassen. „Ganz am Anfang musste ich mit einem anderen Freiwilligen und 30 Kindern alleine Zug fahren. Da hätte so viel schiefgehen können.“ Asya K. ist 2022 eine von vier Bundesfreiwilligen in der Kinder- und Jugendeinrichtung. Nicht selten kam es zu Überstunden, weil „die ausgebildeten pädagogischen Mitarbeiter zu teuer gewesen wären“. Sie selbst verdiente 420 Euro im Monat – für 39 Stunden in der Woche. Häufig musste Asya K. ganze Gruppen alleine betreuen. Sich an Mitarbeitende wenden – das wollte sie nicht. „Da gab es eine zu große Distanz.“ Asya K. beendet 2023 ihren Bundesfreiwilligendienst, doch geht nicht im Guten mit der Leitung der Kindertagesstätte auseinander. Sie kritisiert das Verhalten der Leitung und wünscht sich mehr Unterstützung und Regelungen von außen. „Ich habe häufig das Gefühl gehabt, dass wir nichts als billige Arbeitskräfte waren“, sagt sie.
Fehler können passieren
Eine Sprecherin des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben weist die Vorwürfe zurück und bezieht sich auf die klaren Vorgaben. Allerdings kann nicht immer gewährleistet werden, dass die Einrichtungen auch die Vorgaben einhalten. In Fällen, in denen die Vorgaben nicht eingehalten werden, sei der Wechsel der Institution eine Möglichkeit, die die Freiwilligen aktiv in Anspruch nehmen können. „Wir nehmen solche Berichte ernst. Daher bieten wir immer die Möglichkeit einer Beratung und einen Wechsel der Institutionen an.“
Angie Landes ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet für die Ehrenamts Agentur Essen. Sie findet es bedenklich, junge Menschen in solchen Situationen alleinzulassen. Sie empfiehlt, dass die Freiwilligen und Pädagogen immer im Austausch stehen. Gleichzeitig können Fehler passieren. „Für die Freiwilligen sollte ein Umfeld geschaffen werden, in dem sie ihre Probleme ganz offen ansprechen können.“ Dafür sollte in Institutionen mehr Werbung für Beratung gemacht werden. „Damit die jungen Leute nicht so früh schon verbrannt werden.“ Deshalb ist es wichtig, bei unlösbaren Problemen die Möglichkeit zu haben, die Institution zu wechseln. Doch der schnelle Wechsel aus einer Institution ist nicht leicht. Was bleibt, sind junge Menschen, die zwischen Überforderung und Scham sitzen und ihre Arbeitgeber nicht „verpetzen“ wollen.
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