Bildunterschrift: Viele Anfänger fangen im Januar mit dem Training an, hören aber schnell wieder auf.
Stichwort: Neujahrsvorsätze von Trainingsanfängern. Jamal Mehiri kennt sie als Fitnesstrainer zu gut. Doch er arbeitet tagtäglich akribisch daran, Trainingsneulinge nicht zu „Karteileichen“ werden zu lassen.Das gilt auch für Trainingsneuling Lukas Maris.
Von Louis Budweg
Es ist ein kühler Januar-Morgen in Marl im Kreis Recklinghausen. Der Himmel ist bewölkt und hüllt die Umgebung in einen grauen Umhang. Auf einer Industriestraße im Stadtteil Brassert ist in einem alten Zechengebäude das Fitnessstudio Limitless beheimatet.
Dort arbeitet Jamal Mehiri. Er ist zwanzig Jahre alt und arbeitet hier als Fitnesstrainer. Im Fitnessstudio macht er in Kooperation mit der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheit mit Sitz in Köln seinen Bachelor im Bereich der Fitnessökonomie. Im Januar hat er besonders viel zu tun.
Ein eisiger Start in den Tag
Durch die große Eingangstür stößt ein eisiger Windstoß durch die große Eingangshalle des Fitnessstudios. Der Boden besteht aus schwarzen Fliesen. Links vom Eingang erwartet die Gäste bereits ein Tresen mit Computer und Liste zum Eintragen. Jamal ist wie für einen Trainer zu erwarten breit gebaut und trägt ein schwarzes T-Shirt. Zuerst schaltet er den Computer ein. Es ist 07:30 Uhr, der Arbeitstag beginnt für ihn um 8 Uhr.

Zunächst kümmert er sich um die Trainingsgeräte. Im unteren Bereich sortiert er zuerst die bunt gefärbten Hantelscheiben. Danach begibt er sich über eine blass-braune Treppe in die obere Etage des Studios. Auf der rechten Seite stehen Laufbänder, Fahrräder und Stairmaster. Danach bereitet er die Sanitäranlagen, sowie die Sauna vor. All das muss vor der Öffnung des “Fittis”, wie Jamal es nennt, in Betrieb genommen werden.
Das Januar-Paradoxon der Trainingsanfänger
Um 8 Uhr beginnt die Schicht. Die ersten Gäste betreten das Fitnessstudio. Jamal begrüßt alle freundlich. Zu allen hat er ein gutesVerhältnis. „Es ist sehr wichtig als Fitnesstrainer, die Nähe zum Kunden zu suchen. Das fängt damit an, einen positiven und vertrauten Eindruck zu machen, wenn der Kunde das Studio zum ersten Mal aufsucht.”
Im Januar gibt es viele Menschen, die ihre Fitness verbessern wollen. Das liegt oft an Neujahrsvorsätzen. „Viele Leute begegnen dem Sport mit Abneigung oder schaffen es nicht, sich aufzuraffen, wenn die anfängliche Euphorie verflogen ist. Wenn sie wissen, dass jemand Vertrautes auf sie wartet, sind sie motivierter, öfter zu uns zu kommen”, so Jamal.

Aber warum trauen sich die Menschen meist nicht ins Fitnessstudio, sondern brauchen einen Grund wie das Neujahr, um zu starten? „Den Leuten, die im Neujahr zu uns stoßen, merkt man an, dass sie etwas auf die Seite geschoben haben oder sich häufig aufgrund ihres Aussehens nicht getraut haben, ins Fitnessstudio zu gehen. Und das, obwohl das der Grund ist, warum viele überhaupt erst mit dem Kraftsport anfangen. Es ist beinahe Paradox.“
Aller Anfang ist schwer
Einer dieser Menschen ist Lukas Maris. Er ist 20 Jahre alt und hat heute sein erstes Training im Fitnessstudio vereinbart. „Ich hatte die Idee schon länger, aber habe mich ein bisschen davor gedrückt. Mit Beginn des neuen Jahres wollte ich starten”, so Lukas.
Auch für Lukas ist das Aussehen einer der Hauptgründe, mit dem Sport anzufangen. „Ich finde mich einfach zu dünn. Das war für mich schon immer ein Störfaktor. Ich war immer eher recht groß und schlaksig. Daran möchte ich etwas ändern.”
Jamal und Lukas starten das Training im niedriger gelegenen Freihantelbereich, Dort zeigt Jamal Lukas die Hanteln und Bänke. Nun geht es nach oben. Mittlerweile ist es vormittags. Die Sonne strahlt im oberen Teil durch die kleinen Fenster des Zechengebäudes in den spärlich beleuchteten Innenraum. Dieser erinnert trotz Fitnessstudio-Umbau noch immer sehr an das Interieur eines Zechengebäudes. Die Wände bestehen aus rötlich-braunen Backsteinen.

Mit der Brustpresse hat Lukas seine Probleme, bei den letzten Ausführungen beginnt sein gesamter Körper zu zittern. Dasselbe gilt für seine letzten Anstrengungen an der Beinpresse. Seine ersten Schritte nach der Übung ähneln eher einem Humpeln. Jamal weist Lukas auf Fehler hin. An der Beinpresse darf er nie die Beine ganz durchstrecken. „Es war anstrengender als erwartet, aber hat doch viel Spaß gemacht. Nur das Laufen ist nach den Beinübungen schwierig. Vielleicht ist Sport ja doch Mord”, berichtet Lukas.
Nach dem Training zieht sich Lukas um und bespricht sich an den Tresen mit Jamal. Danach verlässt er das Studio. Aber: Er wird wiederkommen und versuchen, seinem Ziel das Jahr über näherzukommen.
Langfristige Motivation ist entscheidend
Die Betonung liegt auf dem “Jahr über.” Das hat Jamal Lukas eingetrichtert. „Die Motivation verfliegt bei vielen Januaranmeldernschneller. Die gewünschte Figur kann innerhalb des angedachten Zeitraums nicht erreicht werden. Deswegen hören viele nach 3 bis 6 Wochen wieder auf. Diese Personen bilden bei uns oft die sogenannten “Karteileichen“, erklärt er.
Karteileichen sind die Mitglieder eines Fitnessstudios, die zwar aktiv für ihre Mitgliedschaft zahlen, allerdings nie oder nur selten auftauchen. Sie machen von ihrer Mitgliedschaft keinen Gebrauch.
„Viele Menschen denken, dass sie die letzten Jahre wieder wett machen können, wenn sie sich für eine kurze Zeit sportlich betätigen. Das funktioniert nicht. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und braucht Zeit. Dazu hilft es, den Sport wie einen Lernprozess zu sehen, der einen das ganze Leben begleitet, und nicht nach der zehnten Klasse vorbei ist!”
Nach dem Probetraining mit Lukas warten auf Jamal noch viele weitere. Immer wieder wechselt er zwischen oberer und unterer Etage oder hilft Kunden am Telefon weiter. Den anderen Neulingen trichtert er dasselbe wie Lukas ein. Ob sie bleiben, wird sich erst zeigen. Um 15 Uhr packt Jamal seine Sachen, verabschiedet sich von einigen Trainierenden und verlässt das Fitnessstudio. Wieder stößt eisiger Wind durch die Tür. Doch in Jamal bleibt die warme Hoffnung, den ein oder anderen heute langfristig motiviert zu haben.
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