Bildunterschrift: Eigentlich ein offenes Geheimnis: Die Vertrauensfrage soll nur zu Neuwahlen führen (Foto: Pixabay)
Nach dem Ende der Ampelkoalition beantragte Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage. Über diese stimmte der Bundestag am 16. Dezember ab. Aber was genau ist eigentlich die Vertrauensfrage? Politikwissenschaftler Prof. Dr. Oliver Lembckevon der Ruhr-Universität Bochumordnet alle wichtigen Fragenfür uns ein.
Von Julia Werner
Was ist die Vertrauensfrage?
Der Bundeskanzler stellt die Vertrauensfrage. Sie führt zu einer Abstimmung im Bundestag. Das ist in Artikel 68 des Grundgesetzesfestgehalten. Die Abgeordneten des Bundestages können abstimmen, ob sie dem Bundeskanzler weiterhin vertrauen. Um die Vertrauensfrage für sich zu entscheiden, benötigt der Kanzler eine absolute Mehrheit – also über 50 Prozent der Stimmen.
Was passiert im Falle eines Scheiterns der Vertrauensfrage?
Wenn die Vertrauensfrage scheitert, somit nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht wird, kann der Bundeskanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Dafür hat der Bundespräsident 21 Tage Zeit. Wenn sich der Bundestag auflöst, kommt es nach spätestens 60 Tagen zu Neuwahlen.
Was ist der Unterschied zwischen einer unechten und echten Vertrauensfrage?
Die Vertrauensfrage kann auf zwei Arten instrumentalisiert werden. Die unechte Vertrauensfrage ist direkt mit der politischenExistenz der Regierung verbunden. Sie soll zu einem Regierungswechsel oder zu Neuwahlen führen.
Die echte Vertrauensfrage wird strategisch eingesetzt, um das Parlament unter Druck zu setzen und zu disziplinieren. Häufig wird eine echte Vertrauensfrage mit einem Gesetzesentwurf verbunden. Sie soll nicht zu einem Regierungswechsel oder zu Neuwahlen führen.
Was ist ein konstruktives Misstrauensvotum?
In Deutschland gibt es das konstruktive Misstrauensvotum, das in Artikel 67 des Grundgesetzes festgehalten ist. Das Misstrauensvotum stellt nicht der Bundeskanzler, sondern die Abgeordneten des Bundestages. Verliert der Bundeskanzler das Misstrauensvotum, muss er zurücktreten. Es handelt sich dabei um ein konstruktives Misstrauensvotum, da gleichzeitig immer ein neuer Bundeskanzler gewählt werden muss.
Wird es in Zukunft häufiger zu einer Vertrauensfrage kommen?
Das deutsche Regierungssystem zeichnet sich durch ein hohes Maß an Stabilität aus. Aktuell gibt es eine hohe Fragmentierung des Parteiensystems. Dadurch ist zwar die Suche nach Regierungsmehrheiten erschwert, führt aber nicht zwangsläufig zu instabilen Regierungen. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass in Zukunft häufiger Vertrauensfragen gestellt werden.
Quelle: Prof. Dr. Oliver Lembcke, Politikwissenschaftler an der Ruhr-Universität Bochum
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