Der Krippenbau im Recklinghäuser Ortsteil Stuckenbusch hat eine lange Tradition. Etliche Ehrenamtliche bauen wochenlang eine Krippe in der Kirche St. Katharina in Stuckenbusch auf. Besonders Chefbauer Günter Drax lebt die Krippenbaukunst. Ein Arbeitstag zwischen Hirten und Schafen.

Von Toni Blasey

Es ist neun Uhr. Autotüren schlagen zu, Fahrradschlüssel klirren. Langsam trudeln auch die letzten Krippenbauer im Innenhof der Kirche ein. Schon seit einigen Tagen treffen sich hier um die 20 Krippenbauer. Die meisten von ihnen sind bereits im Rentenalter. Gebaut wird in der Stuckenbuscher Kirche. Eine Tradition, die sich in diesem Jahr zum 120. Mal jährt. Dick eingepackt in Winterjacken und bunten Mützen unterhalten sich die Helfer munter miteinander, bis ein fröhliches „Guten Morgen allerseits“ ertönt. Es ist Günter Drax, der Chef des Ganzen. Seit nunmehr elf Jahren ist der grauhaarige Rentner dabei. Dann geht es auch schnell ins Warme. An diesem Dezembertag ist es eisigkalt, die Autoscheiben sind gefroren, die Temperatur liegt rund um den Gefrierpunkt.

Der folgende Ablauf sitzt, jeder sucht sich sein Projekt aus und packt kräftig an. Häuser müssen aufgebaut und Lampen gewechselt werden. „Das Grundgerüst aus etlichen Böcken und Holzplatten steht schon. Das macht die Krippe begehbar“, erzählt Günther Drax. Auch etliche Schubkarren Sand wurden schon die Krippe hinaufgeschafft und dienen als Untergrund. „Das haben die Jüngeren gemacht. Wir sind zu alt. Der eine hat ein neues Knie, der andere einen neuen Rücken, das schaffen wir nicht mehr“, flachst Drax. 

Special zum 120-jährigen Jubiläum

Der Stil der Krippe wechselt jedes Jahr zwischen orientalischem und westfälischem Ambiente. Nicht aber in diesem. Während das laute Bohren einiger Bohrmaschinen im Hintergrund zu hören ist, erzählt Drax, dass es zum 120-jährigen Jubiläum etwas ganz besonders gibt: „Wir haben dieses Jahr extra Häuser, eine Kirche und eine Synagoge aus Holz hergestellt.“ Die Begeisterung ist dem langjährigen Krippenbauer anzumerken. „Wir haben in Archiven gekramt und alte Bilder des Klosters und anderen bekannten Häusern aus Stuckenbusch gefunden, wie zum Beispiel Haus Strangemann oder der ehemaligen Synagoge in Recklinghausens Innenstadt. Die werden die Krippe schmücken“, verkündet er mit strahlenden Augen.

Eine Krippe, die besonders von den langen Traditionen lebt. Aber auch von den „beiden, die das besondere Auge“ haben, wie Drax verrät. Die Rede ist von Christiane Lück und Gerda Nowak. Während die Kollegen Tannenbäume aufstellen, dirigieren die beiden die Arbeiten. „Noch ein bisschen mehr vor die Säule“, ruft Lück. Schnell wird klar, die beiden haben zwischen den ganzen Männern die Hosen an. In welcher Reihenfolge was passiert, entscheiden die Frauen. „Auch wenn wir ganz schön oft etwas runter holen, dann wieder hoch bringen und dann doch wieder brauchen“, sagt Drax scherzhaft. Genau dahin geht es dann auch. Nach oben. Zwei Treppen später in einem Raum neben der großen Kirchenorgel ist in zwei großen, braunen Schränken alles gelagert. Die 20 rund 50 Zentimeter großen Figuren, die die heilige Familie zeigen, die Hirten in der Anbetung und am Herdfeuer, etliche ausgestopfte Tiere und zuletzt 50 Tierfiguren, wovon die meisten Schafe sind. Darunter auch ein schwarzes Schaf. „Das gibt es in jeder Familie“, so Drax. Bevor er fortfahren kann, unterbricht Lück: „Kann hier einer noch den Esel und den Ochsen mitnehmen? Am besten packt ihr den beiden zwischen die Beine.“ Gelächter bricht unter den Senioren aus. Der Zusammenhalt und der Spaß halten den Laden zusammen.

Küchenengel zaubern Frühstückstisch

Das fällt auch beim Frühstück auf. Um 10:30 Uhr, Nach 1,5 Stunden Arbeit ruft nämlich der hergezauberte Frühstückstisch von Christa und Gretel. „Unsere beiden Engel aus der Küche“, schwärmt Drax. Und tatsächlich, der Tisch ist reichlich bedeckt. Es duftet nach heißem Kaffee, frischen Brötchen und selbstgebackenen Keksen und Kuchen. Neben den ganzen Leckereien hat Gretel noch eine Überraschung parat. „Jeder darf sich heute einen selbstgebastelten Engel mitnehmen“, verkündet sie. Nachdem die Mägen voll sind, werden erst einmal die neuen Krippenbauer mit einem dreifachen „Krippen…bauer, Krippen… bauer, Krippen… bauer“, begrüßt.

Auch einen kleinen Adventskalender haben sich die Krippenbauer gebastelt. An jedem Tag wird gewürfelt, und derjenige mit einer Sechs bekommt das Geschenk. Mit Ehrgeiz sind alle Anwesenden bei der Sache. Die ersten beiden haben kein Glück. Bei Gretel bleibt der Würfel dann aber auf der Sechs liegen. Gretel freut sich und macht mit dem Geschenk, einem Küchenbrettchen, das „Nummernmädchen“ entlang des Tisches. Bevor es dann wieder zur Arbeit geht, liest Drax noch eine lustige Weihnachtsgeschichte aus einem kleinen Heftchen vor. Herzhaftes Lachen erfüllt den Raum.

Verbundenheit und Zusammenhalt als Werte

Zurück zur Krippe. Nachdem am Morgen schon alle Schafe in die Nähe der Krippe geholt wurden, sind nun die ausgestopften Tiere dran. Flauschige Eichhörnchen, weiße Frettchen und allerlei Arten von Vögeln werden vorsichtig nach unten transportiert. Anschließend guckt Drax sich an, was sonst so geschafft wurde. In der in den 90er Jahren von den Krippenbauern gezimmerten Hütte wird frisches Gras und Moos für die Krippe getrocknet, auch Krippenteile aus den vergangenen Jahren finden hier noch Platz.

Es riecht nach Benzin, überall liegt Werkzeug herum. „Wenn jemand verstirbt, kriegen wir meist die ganzen Reste aus dem Werkzeugkeller“, so Drax. Die Verbundenheit und Gemeinschaft der Krippenbauer ist stark, auch nach dem Tod. Wenn die Krippe ein, zwei Tage vor Weihnachten fertig ist, geht das Team gemeinsam auf den nahegelegenen Friedhof und besucht alle verstorbenen Krippenbauer. „Wir legen dann ein Grablicht nieder mit der Aufschrift ‚liebe Grüße vom Krippenbauteam‘. Unser langjährigste Krippenbauer Joe Ölkers erzählt außerdem immer witzige und tolle Geschichten aus vergangen Tagen. Anschließend gibt es ein großes Essen mit allen“, erzählt Drax. Heute ist es aber noch nicht so weit, bis kurz vor Heiligabend werden die Krippenbauer noch brauchen. Um zwölf Uhr endet der Arbeitstag mit kühlem Bier und lustigen Anekdoten.