Glutenfrei zu leben- dieses Thema bekommt von Jahr zu Jahr mehr Aufmerksamkeit. Für viele ein Trend, für Maxine Enders jedoch dringend notwendig, weil sie unter einer Autoimmunkrankheit leidet. Was sie sich wünscht, ist ein Zuschuss vom Staat, da glutenfreie Produkte um einiges teurer sind als gewöhnliche.

Von Pia Böckendorf

Im Supermarkt findet Maxine heutzutage viele glutenfreie Lebensmittel.  Foto: Maxine Enders

In ein Restaurant gehen, spontan eine Bratwurst auf dem Weihnachtsmarkt essen oder Lebensmittel in den Einkaufswagen werfen, ohne zu überlegen. Für die meisten Menschen gehört das zum normalen Alltag. Für Maxine Enders ist das alles andere als selbstverständlich. Seit ihrer Kindheit leidet die 23-Jährige an der Autoimmunkrankheit Zöliakie.

Im Alter von fünf Jahren konnten Ärzte diese Krankheit bei Maxine feststellen. Damals sei sie sehr krank geworden und habe sich wochenlang übergeben müssen. „Niemand wusste so recht, was mit mir los war“, erinnert sie sich. „Mein Kinderarzt hat sich dann viel informiert und hatte schließlich den Verdacht, dass ich eine Glutenunverträglichkeit haben könnte“.

Gluten ist ein Gemisch aus Eiweißen, Fetten und Kohlenhydrathen. In der Verbindung mit Wasser wird es klebrig, weshalb es auch Klebereiweiß genannt wird. Gluten sorgt dafür, dass zum Beispiel Teig seine typische Konsistenz erlangt, geknetet werden und aufgehen kann. Es ist in Getreidesorten, wie Weizen, Dinkel oder Roggen zu finden. Aber auch in Gebrauchsgegenständen, wie Zahnpasta, Lippenstiften, Medikamenten oder dem Kleber von Briefumschlägen kann das Eiweiß weiterverarbeitet sein.

Was ist Zöliakie?

Bei Zöliakie handelt es sich um eine chronische Erkrankung des Dünndarms. Die Aufnahme von Gluten löst bei Betroffenen eine Überreaktion des Immunsystems aus, in deren Folge Immunzellen Antikörper gegen körpereigene Zellen des Dünndarms bilden. Diese Immunreaktion kann zu einer Rückbildung der Schleimhaut im Darm führen, so dass Betroffene wichtige Nährstoffe häufig nicht mehr aufnehmen können. Das äußert sich bei den meisten Betroffenen in heftigen Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Blässe, Gewichtsverlust oder Müdigkeit. Schon geringe Mengen des Eiweißes schädigen die Schleimhaut des Darms. Wenn Betroffene daher weiter Gluten aufnehmen würden, könnte das im schlimmsten Fall sogar zu einer Krebserkrankung führen. Die Symptome äußern sich nur, wenn Gluten auch den Dünndarm erreicht. Sonstige Berührungen, zum Beispiel auf der Haut sind bedenkenlos. 

Ob die Krankheit jedoch wirklich vorliegt, können Ärzte erst bei einer Biopsie feststellen. Dabei wird dem Darm Gewebe entnommen und untersucht. Bei Maxine war der Fall sehr eindeutig. Die Konsequenz daraus: eine drastische Ernährungsumstellung. „Weil ich ja noch sehr jung war, haben meine Eltern darauf geachtet, dass ich keine Dinge esse, die Gluten enthalten“, sagt sie. Ab diesem Zeitpunkt hatte Maxine ihr eigenes Brot zuhause, ihre eigene Butter und musste aufpassen, mit welchem Tuch sie ihr Besteck abtrocknete. Sie musste auf Dinge achten, um die sie sich vorher keine Gedanken gemacht hat. Trotzdem konnte sie sich recht schnell an diese Lebensweise gewöhnen. „Ich bin so aufgewachsen, für mich ist das normal“, sagt die Studentin.

„Lieber einmal zu viel nachgeguckt als einmal zu wenig“

Heute lebt sie mit ihrem Freund zusammen. Auch in ihrer gemeinsamen Wohnung versuchen die beiden, dieses System fortzuführen. „Wir kaufen zwar hauptsächlich glutenfreie Lebensmittel, aber wenn mein Freund dann doch mal etwas mit Gluten haben möchte, hat er eine eigene Schublade dafür“, erzählt sie. Maxine hat eine schwere Form von Zöliakie. Auch bei geringen Mengen Gluten spürt sie heftige Reaktionen. Vor einigen Jahren aß sie versehentlich etwas Glutenhaltiges, die Folgen waren alles andere als angenehm. „Ich hatte einen richtigen Kreislaufzusammenbruch, war nicht mehr ansprechbar und musste auch ins Krankenhaus“, erzählt sie. „Dieses Erlebnis hat meinen Alltag noch mehr verändert, ich wurde immer ängstlicher und hatte zwischendurch richtig Panik, doch etwas mit Gluten gegessen zu haben“. Seitdem isst die 23-Jährige nur noch zuhause und checkt doppelt, ob auch wirklich kein Gluten in der Nähe ist. Ganz nach dem Motto: „Lieber einmal zu viel nachgeguckt als einmal zu wenig“.

Manchmal wird Maxine mit negativen Reaktionen konfrontiert. „Einige Menschen stecken mich sofort in eine Schublade mit Fitnessfanatikern, die finden, glutenfreie Ernährung würde ihnen guttun und nehmen meine Krankheit dadurch weniger ernst“, sagt sie. Viele Menschen seien ihrer Meinung nach einfach unwissend: „Es gibt nicht besonders viel Aufklärung zu diesem Thema“, findet die Studentin. Daher vermutet sie auch die Dunkelziffer. Vielen denen sie von ihrer Krankheit erzählt, hören das zum ersten Mal.

Italien macht´s besser 

Den Trend um die glutenfreie Ernährung empfindet Maxine jedoch nicht als störend. Im Gegenteil: „Für Menschen wie mich ist das eigentlich sehr gut. Durch die steigende Nachfrage gibt es auch viel mehr Angebot als noch vor ein paar Jahren“, sagt sie. In der Tat, heute gibt es auch in den beliebten Supermarktketten Reihen voll von glutenfreien Lebensmitteln. Ob Croissants, Cornflakes oder Kekse, Maxine findet eigentlich immer etwas. Was jedoch sofort auffällt, ist der hohe Preis der Produkte. Normales Brot bekommt man schon ab zwei Euro, das glutenfreie erst ab vier Euro. Noch fehlen die günstigen Alternativen. „Ich kann leider nicht besonders darauf achten, wie teuer ich einkaufe. Häufig gibt es nur ein Angebot und das zu einem hohen Preis“, erzählt Maxine. Auch der DZG ist dieses Problem schon lange bekannt. Eine Studie der Gesellschaft in Kooperation mit der Hochschule Fulda belegt, dass die Mehrkosten für glutenfreie Ernährung bei monatlich 97 Euro liegen. „Seit über 30 Jahren versuchen wir, die Politik zu einer angemessenen Lösung zu bewegen, aber leider scheitern wir jedes Mal“, erzählt Christa Porer, die als Zöliakieberaterin bei der DZG tätig ist. Italien ist Deutschland in dem Punkt um einiges voraus. Dort gibt es jeden Monat einen Zuschuss in Höhe von 140 Euro, der über Rezepte der Apotheken abgerechnet wird, für jeden der sich aufgrund einer Krankheit glutenfrei ernähren muss. „Ich finde das fair und echt toll, dass es dort diese Möglichkeit gibt. Schließlich kann niemand etwas dafür, dass er unter dieser Krankheit leidet“, sagt Maxine. Deutschland könnte da nachziehen, findet die Studentin. „In Italien ist das Thema ganz anders ausgebaut und die Politiker zeigen viel mehr Verständnis“, erklärt Christa Porer. Viele Mitglieder der Zöliakiegesellschaft, können den Beitrag von 25 Euro im Monat nicht mehr alleine stemmen, da sie das Geld in glutenfreie Lebensmittel investieren müssen und melden sich daraufhin ab. „Ich finde es schade, dass so etwas passiert. Schon durch einen geringen monatlichen Zuschuss, würde es manchen so viel besser gehen“, meint sie. Dieser könnte laut der Zöliakieberaterin über die Krankenkassen erfolgen.

Etwas hat sich in den letzten Jahren allerdings getan. Denn ab dem Veranlagungszeitraum 2021 können Zöliakieerkrankte bei der Steuererklärung einen Pauschbetrag angeben. Allerdings nur wenn sie einen Grad der Behinderung von mindestens 20 nachweisen können. Die Höhe des Betrages liegt bei 384 Euro. „Zu wenig“, findet Christa Porer. Und auch für Maxine ist dieser Betrag wenig hilfreich: „Es ist zwar gut, dass sich überhaupt etwas tut, allerdings ist dieser Betrag total schwachsinnig wenn man mal runterbricht wie wenig das am Ende ist“, sagt sie. Zöliakieerkrankte, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, können einen Mehrbedarf in Höhe von 89,80 Euro pro Monat erhalten. „Das wäre ein Betrag den wir längerfristig anstreben“, sagt Christa Porer, „und auch wenn das noch ein langer Weg sein wird, werden wir nicht aufhören, dafür zu kämpfen“. Das ist zumindest ein kleiner Lichtblick für die Erkrankten, und somit auch für Maxine Enders. Doch bis dahin bleibt ihr leider nichts anderes übrig als weiterhin den hohen Preis für ihre Gesundheit zu zahlen.