Hinter den Gitterstäben sitzt er, der König des Dschungels. Hier im Löwengehege des Allwetterzoos Münster wirken die eingesperrten Großkatzen jedoch alles andere als königlich. Zoos präsentieren sich gerne als tierfreundlich und wichtige Förderer für den Natur- und Artenschutz. Die Realität zeigt jedoch, wie unzureichend und fadenscheinig Zoos gegen das globale Artensterben kämpfen.

von Tim Schlüter

Dr. Phillip Wagner arbeitet im Allwetterzoo Münster als Kurator für Forschung und Arten-schutz und leitet das Artenschutzprogramm des Zoos. Immer wieder wird er von Zoogegnern mit dem Vorwurf konfrontiert, der Zoo tue nichts für den Artenschutz. „Der Zoo betreibt schon seit 20 Jahren Artenschutz“, sagt er und spricht die verschiedenen Artenschutzprojekte und Initiativen des Zoos an, die er koordiniert: Kooperationen mit Tierschutzorganisationen, Freilandforschung, Auffangstationen sowie ein Internationales Zentrum für Schildkrötenschutz. „An solchen Aktionen sind immer Zoos beteiligt und keine Tierrechtsorganisationen“, sagt er. Er könne daher auch nicht verstehen, warum Zoogegner ihn dafür angreifen.

Dr. Phillip Wagner, Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo Münster | Foto: Tim Schlüter

Zu wenig Auswilderungen

Für Dr. Yvonne Würz, Biologin und Fachreferentin der Tierrechtsorganisation PETA hingegen, ist der Artenschutz in Zoos nur ein weiterer Rechtfertigungsgrund, Tiere zur Schau zu stellen.

Dr. Yvonne Würz, Biologin und Fachreferentin bei PETA Deutschland | Foto: PETA

„Zoos leisten keinen Beitrag zum Artenschutz, denn Auswilderungen finden selten statt. Und die Auswilderungen, die stattfinden, sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, so Würz.Sie setzt sich für das Ende von Zoos in ihrer heutigen Form ein. Dennoch sieht sie auch eine Zukunft für Zoos: „Sie könnten als Auffangstationen für Tiere dienen, die ansonsten nicht überleben. Beispielsweise Wildtiere aus dem Zirkus.“Sie bedauere, dass Zoobetreiber aber weiterhin neue Anlagen bauen, um den Menschen ein Erlebnis zu bieten. „Der Unterhaltungsfaktor steht weiterhin im Vordergrund.“

60 Millionen Euro für Modernisierung

Auch der Münsteraner Zoo investiert im Rahmen eines großen Modernisierungsprojektes in weitere Tierhäuser. Der Kurator des Zoos kann im Bau des neuen Tropenhauses keinen Artenschutz erkennen: „Das ist eine neue Art der Tierhaltung, die aber letztlich wenig mit Artenschutz zu tun hat“, so Wagner. Für effektiven Artenschutz brauche es seiner Meinung nach mehr Auswilderungen und mehr gesellschaftlichen und politischen Willen.Zumindest in dieser Sache sind sich beide Parteien einig.

Etikettenschwindel von Zoos

Volker Sommer ist Professor für Evolutionäre Anthropologie am University College London und forscht zur Verhaltensökologie von Primaten sowie zu Naturschutz und Tierrecht. Seiner Ansicht nach leisten Zoos keinen Beitrag zum Artenschutz:
„Zoos ändern nichts am Massensterben von Spezies. Artenschutz samt assoziierter Aufgabenfelder von Bildung und Forschung sind weitgehend Etikettenschwindel. Es ist deshalb höchste Zeit, dass Zoos ihre Praktiken hinterfragen, statt das fadenscheinige Argument zu pflegen, sie würden Artenschutz betreiben.“

Das Elefantengehege im Münsteraner Zoo | Foto: Tim Schlüter

Die Politik ist gefragt

Weltweit sterben pro Tag bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Zoos können dem Artensterben kaum entgegenwirken. Lösungsansätze liegen bereits seit Jahren auf dem Tisch. Ob eine dieser Lösungen in Zukunft Zoos sind, und damit auch der Allwetterzoo Münster, ist aktuell zweifelhaft. Denn Zoos, die es mit dem Artenschutz ernst meinen, müssen auch nach Wagners Ansicht mehr tun. „Wir brauchen mehr Auswilderungen, mehr Lebensraumschutz und der Anteil bedrohter Arten in Zoos muss steigen“. Für die Umsetzung braucht es jedoch politischen Willen.