Multiorganversagen, Lungenembolie oder Blutvergiftung. Diagnosen von Patienten, die bewusstlos und schwer krank auf der Intensivstation liegen. In der Oberschwabenklinik in Ravensburg pflegt und versorgt Antonia Blumenstein gesundheitlich stark geschwächte Menschen. Sie schenkt den Patienten zu Weihnachten siebeneinhalb Stunden Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit. Ein Einblick in die Arbeit einer selbstlosen, jungen Frau.
von Nasthasia Bornstädt
Ein langer, greller Gang. Linoleumboden und LED-Beleuchtung. Links und rechts gehen Räume ab. Und mittig an der Decke hängt eine längliche Digitaluhr. 19:15. Im Hintergrund das Geräusch der Beatmungsmaschinen und penetrantes Piepen. Pflegekräfte, die sich zukreischen, nach Hilfe rufen oder nach einer Beschreibung, wo die Kanülen zu finden sind. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Die Lichter so hell, dass einem die Augen brennen. Die Wände so sauber, sie könnten fast frisch gestrichen sein. Nicht besonders weihnachtlich.
Blaue Weihnachten
Alle tragen die gleiche, blaue Arbeitskleidung. Antonia Blumenstein trägt sie seit 13 Uhr. Die 21-Jährige wusste nach ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin, sie möchte auf die Intensivstation. Viele KollegInnen auf der Station raten ihr davon ab. Sie sei zu jung, zu ungeschult und solle erst einmal Erfahrung sammeln. Sie entscheidet sich dennoch dafür sich zu bewerben. Und wird angenommen. Um eins beginnt ihre Schicht am 26.12.2022. „Bei uns ist es so, dass man entweder an Weihnachten oder Silvester arbeiten muss. Ich entscheide mich eigentlich immer für Weihnachten. Da habe ich einfach noch mehr von den Feiertagen, kann trotz Spät- oder Frühschicht mit meiner Familie feiern.“
Leuchtende Monitore statt Weihnachtsbäume
Es scheint Antonia nichts auszumachen, heute hier zu sein. Sie checkt die Monitore, die bunt und leuchtend blinken. Mit fokussierter Mimik und angespannter Köperhaltung kontrolliert sie Infusionen, Zugänge, Vitalzeichen und Perfusoren. Ihre Hände huschen über den Bildschirm. Die Bewegungen wirken routiniert, ihre Finger kennen die Knopfdrücke. Die Konzentration treibt die rechte Hand in ihre braunen Haare. Sie sind in einen Pferdeschwanz gebunden. Besorgt streicht sie sich Haare hinter die Ohren und atmet schwer. „Ich finde es schlimm, dass die Patienten hier sind und nicht mit ihren Familien die Feiertage genießen können. Nicht nur an bestimmten Tagen. Immer wieder ist es sehr belastend, die Menschen hier so zu sehen. Ob nun Weihnachten ist oder nicht“.
Kanülen, Kabel und Klöße
Antonia schlendert den Flur entlang. Zimmer 202, 203, dann 204. Sie blickt in die Zimmer, in denen die Patienten an Schläuche und Kabel gebunden sind. Witze, die über den Flur gerufen werden und Gelächter brechen die Vorstellung einer angespannten Stimmung. Eine Stimmung, bei der Weihnachten keinen Platz hat und die harten Schicksale die Gedanken dominieren. Ganz im Gegenteil. „Wir versuchen es uns trotzdem gemütlich zu machen. Besonders als Team ist es an Weihnachten eigentlich ganz schön. Jeder bringt Weihnachtsessen mit oder wenn es die Zeit zulässt, kochen wir sogar hier zusammen. An Feiertagen ist meist weniger los und man hat auch eher Zeit zu quatschen. Das macht das Ganze hier sehr gemütlich“. Ein langer, greller Gang. Gespräche und Gelächter. Leuchtende Bäume vor den Fenstern. Im Hintergrund hört man ein Rascheln. Zwei Pflegekräfte packen Raffaellos aus, lachen und werfen Antonia Schokolade zu. Vielleicht doch besonders weihnachtlich.
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