Eltern im Hochsauerlandkreis sind besorgt. Immer weniger Ärzte entscheiden sich für eine Praxis auf dem Land; Kinderärzte fehlen an jeder Ecke.

Von Luisa Nieder

Überfüllte Warteräume und lange Anfahrtszeiten bei Kinderärzten – das kennt die Brilonerin Sonja Brands aus eigener Erfahrung. Erst im Herbst erlebt die junge Mutter ein Horrorszenario: Ihre 8-jährige Tochter verliert eines Morgens plötzlich das Bewusstsein. „Wir konnten uns das nicht erklären und wollten sie natürlich sofort untersuchen lassen“, verrät sie. Einen Kinderarzt hat die Familie schon länger nicht – zu schlecht ist die Versorgung auf dem Land. Sie gehen mit ihren Kindern sonst zum Hausarzt, der ist wegen der Corona-Pandemie jedoch hoffnungslos überlaufen. Das Briloner Krankenhaus in der Nähe ist nicht auf Kinder spezialisiert, daher verweist der Hausarzt die Familie direkt in die Paderborner Kinderklinik.

Von einem Wartezimmer ins Nächste

Dort beginnt die lange Warterei: Paderborn kann keine Patienten mehr aufnehmen; sie schicken Sonja Brands und ihre Tochter nach Lippstadt. Auch da ein ähnliches Prozedere – nach neunzig Minuten im Wartezimmer weist die Klinik die beiden ab. „Gegen Abend sind wir dann in Bielefeld gelandet und kamen dran – rund neun Stunden, nachdem meine Tochter morgens umgekippt ist“, erzählt sie.

Lange Wartezeiten bei Kinderärzten gehören im Hochsauerlandkreis fast schon zur Normalität. (Foto: Pixabay)

An diesem Tag hätten Sonja Brands und ihre Tochter sich schlichtweg allein gelassen gefühlt. „Niemand konnte uns helfen. Das war kein schönes Gefühl. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass die Versorgung besser gewesen wäre und sich jemand uns angenommen hätte“, erklärt sie.

Außerdem ist die Entfernung problematisch: Bielefeld ist von Brilon 85 Kilometer entfernt, also zu weit, als dass man mit einem kranken Kind mal eben in die ansässige Klinik fahren kann. Auf der anderen Seite sei die Versorgung durch Kinderarztpraxen im Hochsauerlandkreis schon länger ein Problem. „Genug Bedarf hätten wir, aber stattdessen sind wir abhängig von den paar Ärzten, die es hier gibt“, sagt Sonja Brands. 

Ein Kinderarzt für 2900 Kinder verantwortlich

Diese Vorwürfe sieht die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) anders: Im Hochsauerlandkreis stehen aktuell 16,75 kinderärztliche Versorgungsaufträge zur Verfügung, die von zwanzig Ärztinnen und Ärzten ausgeübt werden. Das bedeutet, dass rund 2900 Kinder und Jugendliche auf einen Arzt kommen.

„Der KVWL liegt die optimale Versorgung von Patientinnen und Patienten besonders am Herzen. Der Versorgungsgrad im HSK beträgt 113,1 Prozent und ist für einen solchen Landkreis recht gut“, sagt KVWL-Sprecher Stefan Kuster auf die vielen Beschwerden. Er betont, die Bedarfsplanung habe sich seit 2019 um rund 20 Prozent verbessert und es seien drei neue Versorgungsaufträge dazu gekommen.

Viele Kinderarztsitze bleiben unbesetzt

Die Olsberger Kinderärztinnen Dr. Silvia Rummel und Dr. Christiane Bub halten die Lage aus anderen Gründen für schwierig: „Rein rechnerisch ist die Anzahl der aktiven Kinderärzte im HSK ausreichend – da hat die KVWL recht. Es sind jedoch nicht alle Sitze aufgrund von Krankheit oder Elternzeit besetzt.“ Außerdem sei die räumliche Verteilung ungleichmäßig: Der Arnsberger Raum verzeichne deutlich mehr Kinderarztsitze als das östliche Sauerland. Winterberg und andere Kleinstädte hätten hingegen keinen eigenen Kinderarzt.

Die Kinderärztinnen Silvia Rummel (links) und Christiane Bub haben ihre Praxis in Olsberg im Sauerland. (Foto: Silvia Rummel)

In den nächsten Jahren gehen allerdings viele Kinderärzte in den Ruhestand – das bereitet den beiden vielmehr Sorge. „Die Suche nach Nachfolgern ist schwierig – der Beruf des Kinderarztes auf dem Land scheint zunehmend unattraktiver für den Nachwuchs zu sein“, so die Ärztinnen Rummel und Bub. „Die KVWL sollte weitere Anreize schaffen, also bei der Nachfolger-Suche aktiv helfen und finanziell unterstützen.“ Nur so sei es auf Dauer möglich, die kinderärztliche Versorgung im HSK zu sichern.

Hoffnung auf Besserung

Sonja Brands hofft, so einen Albtraum wie im Herbst vorerst nicht mehr erleben zu müssen. „Aus dem Grund teile ich meinen Erfahrungsbericht, damit die schlechte Versorgung mehr Aufmerksamkeit erhält und sich endlich etwas ändert!“