Trans*ident – das bedeutet, sich seinem Geburtsgeschlecht nicht zugehörig zu fühlen. Schon lange wusste Fynja, dass sie eigentlich eine Frau ist – erst 2020 wagt sie den Schritt, sich zu outen und ihren Weg zu gehen.

Ein Interview von Alicia Maselli

Fynja ist 34 Jahre alt und kommt ursprünglich aus „dem Speckgürtel“ von Berlin. 2010 zieht sie wegen eines Jobs nach Bochum. Doch erst zehn Jahre später geht sie den Schritt, sich zu outen: „2020 habe ich für mich endlich gesagt: Bis hierhin und nicht weiter. Jetzt sehe ich selbst ein, dass ich trans* bin und gehe meinen Weg. Vorher habe ich es immer versucht zu verdrängen.“


Als du realisiert hast, dass du eine Frau bist, was hat das mit dir gemacht?

„Die Realisierung hat schon viel früher angefangen. Aber ich habe mich nie getraut, das nach außen zu zeigen. Vor zwei Jahren habe ich einfach gemerkt: Für mich selbst und meine Psyche ist es nicht gut, mich weiterhin so zu verstecken. Ich muss für mich hier rauskommen. Und es hat mich befreit. Man sieht das Leben komplett aus einer anderen Perspektive.“

Wie war das, als du dich auf der Arbeit zum ersten Mal als Fynja vorgestellt hast?

„Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Es ging vor allem um die Toilettennutzung. Die Verantwortung wurde schnell auf mich übertragen und ich musste sämtliche weibliche Kolleginnen in kleinen Gruppenmeetings fragen, ob sie damit einverstanden sind, dass ich die Damentoilette nutze. Je nach Runde ist die Reaktion unterschiedlich ausgefallen. Mal kamen viele allgemeine oder persönliche Fragen vor, manchmal aber auch keine große Reaktion.“

Häufig werden Argumente, ähnlich wie das mit der Damentoilette, vorgeschoben, die im Kern diskriminierend sind. Hast du ähnliche Erfahrungen?

Was Trans*feindlichkeit angeht, habe ich das von einer Person im privaten Rahmen stark mitbekommen. Es wurde gerne die „Pädophilie-Karte“ gezogen. Das bedeutet, mir wurde vorgeworfen, dass ich Pädophil wäre, weil ich eben Trans bin. Ich wurde als psychisch unzurechnungsfähig bezeichnet – dass ich nicht wüsste, wer oder was ich bin. Und so „Nettigkeiten“ wie: „Du wirst niemals eine Frau sein. Du wirst niemals als Frau angesehen werden.“waren keine Seltenheit.  Ich habe jetzt keinen Kontakt mehr zu der Person und das ist gut so, denn der Großteil nimmt mich so an wie ich bin.

Die „Pädophilie-Karte“ wird oft gezogen, aber auch andere vorurteilsbehaftete Fragen zum Thema sexuelle Neigungen sind oft Teil der Gutachten, die man braucht. Wie war das bei dir?

Aktuell ist die Gesetzeslage so, dass man über das Transsexuellengesetz (TSG) geht, um den Personenstand und seinen Vornamen ändern zu lassen. Und dazu muss man zwei psychiatrische Gutachten einreichen. Die Gutachter werden von dem zuständigen Gericht bestimmt. Und ich hatte Glück mit meinen zwei Gutachtern. Die schlimmsten Fragen waren: Wie oft masturbieren Sie? Welche Vorstellung haben Sie dabei? Was tragen Sie für Unterwäsche? Fühlen Sie sich dabei erregt? Was denken Sie beim Sex? Welche Rolle nehmen Sie beim Sex ein?

Ich weiß zum Beispiel, dass die Charité in Berlin für diese Gutachten auch heute noch einen „Pädophilie-Fragebogen“ nutzt. Ich weiß von anderen bekannten Trans*personen, die bei diesen Untersuchungen durch die Psychiater*Innen auch sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Deswegen: Ich hatte Glück.

Welche privaten Barrieren begegnen Trans*personen deiner Einschätzung nach auf ihrem Weg, bis sie sich outen?


Vor allem, gesellschaftliche Druck, einer gewissen Norm anzugehören. Man wird mit einem Geschlecht, einer gewissen Rolle und einer gewissen Erwartung in die Welt gesetzt. Als Mann hat man dann diese Rolle des starken Beschützers, des Ernährers der Familie zu erfüllen. Männer dürfen keine Angst haben, traurig sein oder weinen. Außerdem verlieren viele ihr gesamtes bestehendes soziales Umfeld aufgrund der Nichtakzeptanz. Die Leute aufzufangen ist dann definitiv ein Thema der Community.

Gab es auf deinem Weg irgendwelche Anlaufstellen, die dir geholfen haben?

Vieles habe ich damals mit mir selbst ausgemacht, leider. In der „Rosa Strippe“ in Bochum gibt es die „wandelBar“. Ein Austausch für Trans*personen, der alle zwei Wochen stattfindet. Auf Bundesebene gibt es den Bundesverband Trans*, der viele Informationen bereitstellt oder die Deutsche Gesellschaft für Trans und Intersexualität. Dort werden Peerberatungen angeboten oder auch die Möglichkeit, dass Betroffene sich untereinander austauschen können. Die Vernetzung findet inzwischen viel online statt. Gerade auf Facebook gibt es einige Gruppen, im Internet gibt es auch Foren. Jetzt gibt es frisch den Discord Server von TransRuhr – dort helfen und beraten wir uns gegenseitig und organisieren Treffen des Netzwerks.

Wenn du heute mit deinem jüngeren Ich sprechen könntest, was würdest du ihr raten?

Trau dich. Vielleicht nicht unbedingt in der in der Schulzeit, aber spätestens danach. Zu der Zeit würde ich auf jeden Fall meinem früheren Ich sagen: Trau dich. Dir geht es einfach viel besser, als wenn du deinen Weg so gehst, wie du geboren bist.