Die Leidenschaft ist weg, der Alltag da – der Killer für jede Beziehung. Die Lösung: beide Partner entscheiden sich dazu, die Beziehung zu öffnen, fernab von Monogamie. Wir haben zwei Expertinnen gefragt, was dafür und dagegen spricht.

Von Athithya Balamuraley

Sechs in eins – die Beziehung für alles

Sonja Jüngling hilft, wenn die Kommunikation stockt (Quelle: Sonja Jüngling)

Sonja Jüngling, Biologin und Beziehungs-Coach findet, dass Beziehungsöffnungen Menschen allumfassend zufriedenstellen können. Das Konzept AMEFI „Alles mit einem für immer“ klingt nicht nur utopisch, sondern ist es auch, sagt die Biologin. Ihre Arbeit mit Paaren hat ihr gezeigt, dass die meisten nach zehn bis zwölf Jahren Alltagsroutine ihre bisherige Beziehung hinterfragen: Vorlieben und Bedürfnisse fangen an, auseinanderzugehen. Monogamie versteht abweichende Bedürfnisse vom Partner als Betrug. Die Konsequenz ist die Scham vor den eigenen Bedürfnissen und kann zu Seitensprüngen und Affären führen.

Je mehr, desto besser
Eine Beziehungsöffnung bringt ein größeres Netz an Vertrauenspersonen mit sich. Das bedeutet, dass verschiedene Bedürfnisse von verschiedenen Menschen gesehen und erfüllt werden können. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass man mit Unsicherheiten und Ängste konfrontiert wird. Kurz: Beziehungsöffnungen locken einen aus der Komfortzone – die Persönlichkeit wächst durch Herausforderungen.

poly –mehr als Unverbindlichkeit? (Quelle: unsplash.com)

Die Klientinnen und Klienten der der Münsteranerin sind vielfältig. Der Wunsch nach dem Umgang mit dem Thema scheint in allen Altersgruppen gestreut zu sein. Ein verbreitetes Klischee bei Beziehungsöffnungen ist, dass diese Art von Freiheit in einer Beziehung
 zu Unverbindlichkeit und Verletzungsrisiko führen sollen. Sonja Jüngling korrigiert: Eine geöffnete Beziehung ist alles andere als unverbindlich. Es muss so lange kommuniziert werden, bis alle Beteiligten sich wohlfühlen. Verletzungen entstehen in monogamen Beziehungen oft aus fehlender Kommunikation, die zu Fehlinterpretationen führen.


Alles hat ein Ablaufdatum

Demografin Lara sagt, dass die Theorie stimmig sei, aber die Umsetzung von Beziehungsöffnungen fehlschlägt. Bedürfnisse und Pläne in einer Beziehung können auseinandergehen: Es passt einfach nicht.  Einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen hilft. Nicht selten bleiben Paare weiterhin zusammen und öffnen ihre Beziehung, um sie zu retten. Letzten Endes führt das zu aufgeschobenen Trennungen und schlimmerem Herzschmerz.


Beziehungen sind nicht theoretisch
Konfrontationskurs ist nicht für jeden etwas und sollte vor allem im richtigen Moment passieren, so Lara. Ihr größter Kritikpunkt ist, dass eine Beziehungsöffnung in der Theorie plausibel und nachvollziehbar sei, aber in der Praxis meist ein Beziehungspartner zur Öffnung drängt. Oft werde die andere Person überredet. Sie hat beobachtet, dass der überredete Part schnell von Zweifeln geplagt wird und dem anderen zuliebe einer Beziehungsöffnung zustimmt. 

Zweisamkeit und Beständigkeit scheinen aus der Mode zu geraten. (Quelle: pixabay.com)

In jüngeren studentischen Altersgruppen beobachtet die Demografin einen Anstieg von Beziehungsöffnungen und hat in ihrem direkten Umfeld einige geöffnete Beziehungen. Ihre Einschätzung zeigt, dass viele wegen des ansteigenden Trends der Unverbindlichkeit in Zugzwang geraten, statt nach eigenen Bedürfnissen, Vorlieben und Kapazitäten zu entscheiden.