Dirk Gerlach ist Inhaber eines Secondhand-Gitarrenladen in Herne-Wanne. Jede Woche verkauft und ersteigert er seltene, gebrauchte Gitarren. Welche Rolle Nachhaltigkeit dabei spielt. Ein Besuch in seinem Laden.
Von Paul Niehues
Im Eingangsbereich des 70er Jahre Flachbaus riecht es nach Kaffee. Man kommt kaum durch. Nur ein schmaler Weg führt durch die ganze Ware. Rechts und links stehen Gitarren, Verstärker und allerlei Zubehör, was man als Gitarrist so braucht: Klinkenkabel, Gitarren-Saiten und Effekt-Geräte, um den Sound, der aus dem Verstärker kommt, zu verändern. Dirk sortiert die Ware: Schwarze lange Kabel werden in Kisten geworfen, Verstärker durch den Raum geschoben und Gitarren gestimmt. Als Dirk die erste Saite anschlägt, ertönt ein unangenehmer Ton. „Dicky“ dreht an den Schraubenähnlichen Stimm-Mechaniken oben am Kopf der Gitarre – der Ton verändert sich und wird immer höher. Dirk schaut an die Wand, denn dort hängt sein Stimmgerät. Es leuchtet Grün auf. „Hört sich wie neu an“, sagt er mit einem Schmunzeln.
Ein Geruch von Maschinenöl und Sägemehl
Nebenan arbeitet Gitarren-Reparateur Ralf an den von „Dicky“ erstandenen gebrauchten Instrumenten. Der Akkuschrauber schreit auf, als er eine Schraube der Gitarre wieder befestigt. Danach pustet er über das Griffbrett der Gitarre, um den Staub zu entfernen. Aus dem Zimmer weht ein Geruch von Maschinenöl und Sägemehl herüber.
Im Hinterraum des Ladens können die Kunden die Ausstellungsstücke anspielen. Der Raum ist eingerichtet mit rotem Teppichboden, Tapeten mit verschlungenen Mandala-Mustern und allerlei alten Gitarren. Es riecht nach altem Teppich und dem Polierwachs für Gitarren – ein leicht chemischer Geruch. Die Gitarren sehen teilweise so aus, als hätte man sie einmal durch die Gegend geworfen. Der Lack ist ab und Macken übersäen das Instrument. Von dort ertönen laute E-Gitarren über einen Verstärker. Man hört einen tiefen und verzerrten Sound.

Seit 30 Jahren im Business
Dirk Gerlach ist mittlerweile seit 30 Jahren im Handel mit Musikinstrumenten tätig. Erzählt er und klebt im nächsten Atemzug eins von vielen braunen Paketen zu, das größer als ein Bügelbrett ist. Auf die Frage, was diese beinhalten, antwortet er kurz: „Klampfen“. Verkauft hat er sie im Internet.
Die Idee für seinen Laden kam ihm, als er seine Lehre in einem Musikhandel gemacht hat und sein damaliger Chef, B-Ware – Ausstellungsstücke mit Macken – unter die A-Ware gemischt hat und die Leute auch die gekauft haben, ohne es überhaupt zu merken. „Da dachte ich mir: Es scheint niemanden zu stören, dass die Ware gebraucht ist. Dann mache ich einen Laden auf, der genau damit wirbt“, erklärt der 53-Jährige.
Kurze Zeit später klingelt es. Ein DHL-Bote steht vor der Tür, um die Ware abzuholen. Dirk und seine Mitarbeiter tragen die drei großen Pakete zum Lieferwagen. „Nein, das Paket geht erst morgen raus“, sagt er zu einem seiner Mitarbeiter. Die Kartons sehen sehr ramponiert aus, die Pappe scheint nicht das erste Mal durch Deutschland geschickt zu werden. „Jungs, ich brauche die Quittung, sonst wird’s übel“, ruft er seinen Mitarbeitern zu. Da Schäden beim Transport der teils sehr teuren Ware entstehen können oder teils auch mal verloren gehen kann, braucht er den Nachweis.
Dirk geht über die Straße zu den Mülltonnen, schaut nach weggeworfenen Paketen und findet einen Karton in der Größe eines Surfbrettes. „Die Menschen bestellen sich im Internet allerlei Kram und schmeißen die Kartons dann weg – die kann man aber immer wieder verwenden.“ Er erklärt, dass ihm Nachhaltigkeit wichtig ist. Vor allem bei den Gitarren. Der 53-Jährige erzählt: „Es ist so, dass seit 1948 die gleichen Modelle sowohl gebaut als auch gespielt werden und davon wurden Milliarden produziert. Dementsprechend brauch man sich kein neues Instrument zu kaufen – die gibt es ja schon alle.“ So spare man Ressourcen, denn es müsse kein neues Material für den Bau der Instrumente aufgebracht werden und die Gitarren würde nicht aus China nach Deutschland geschifft werden.

Nie wirklich Feierabend
Wenig später begrüßt Dirk seinen nächsten und letzten Stammkunden mit einem „Glück Auf“. Gitarren-Fan Stefan aus Gelsenkirchen. Die Kundschaft besteht zu einem großen Teil aus Kunden wie ihm. Eine Viertelstunde unterhalten die beiden sich über die neu hereingekommenen Modelle, für die „Dicky“, wie er selbst sagt, durch halb Deutschland gefahren ist. Nach kurzem Test der Gitarren verschwindet Stefan wieder. Kurz später hat er Feierabend – Dirk stellt die angespielten Gitarren wieder in Reih und Glied auf, macht die Verstärker aus, wischt noch einmal über die Instrumente und schließt den Laden ab. Richtig Feierabend habe er aber noch nicht, „denn jetzt begebe ich mich im Internet noch auf die Suche nach neuen Schätzen“.
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