Mit exklusiven Koffern und Reisegepäck wurde das Unternehmen bekannt. Gegründet vom französischen Handwerker Louis Vuitton im Jahr 1854, ist es heute die wertvollste Luxusmarke der Welt. Die 29-jährige Daria (Name redaktionell geändert) arbeitet seit zwei Jahren im Store-Management im Düsseldorfer Store der Luxus-Modemarke. Um einmal hinter die Kulissen zu blicken, begleiten wir sie einen Tag lang bei der Arbeit. Welche Kunden sind als Stammkunde hat und wieso ihre Arbeit manchmal der einer Therapeutin gleicht.
Eine Reportage von Jennifer Skiba
Dunkle Wolken spiegeln sich in den Pfützen der Königsallee in Düsseldorf. Der graue Morgen vereint sich mit den dunkel gekleideten Menschen auf der Straße, die gestresst aneinander vorziehen. Vor einem hellen Gebäude, aus Steinen in Sandfarbe und prächtigem Erker, reiht sich eine lange Menschenschlange. Umrahmt von silbernen Absperrständern mit schwarzen Leinen. Viele davon mit safrangelben Tüten, mit blauen Schleifen und blauem “Louis Vuitton“ Schriftzug. Von Montag bis Samstag ist der Store ab 10 Uhr geöffnet. Für Stammkunden und Kunden mit Termin sind die ersten Mitarbeiter schon ab acht Uhr da. Um das normale Tagesgeschäft zu entzerren. Im Schnitt stehen die Kunden über den ganzen Tag verteilt eine Stunde an, um in den Store zu gelangen. Um exklusiven Service bieten zu können und um den Überblick nicht zu verlieren, wird nur eine geringe Anzahl an Menschen gleichzeitig in den Store gelassen.
Um kurz nach neun bittet Daria den ersten Kunden in das Geschäft. Sie erkennt ihn sofort. Ulf (Name redaktionell geändert) ist jahrelanger Stammkunde. Den Termin hat er bereits vor Wochen vereinbart. Einen Termin, um ohne andere Kunden zu shoppen, und sich von Daria beraten zu lassen.
„Guten Morgen, Ulf! Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen. Wie geht’s denn?“ begrüßt Daria ihn. Ulf ist ungefähr Mitte 50. Von Kopf bis Fuß in Designerkleidung. „Hallo Daria. Ja, das stimmt. War viel los, zwischendurch war ich dann auch noch im Urlaub. Aber jetzt bin ich hier. Ich freue mich!“ erklärt er. Während Ulf davon berichtet, wieso er das letzte Mal vor acht Wochen zum Luxus-Shopping im Store war, öffnet Daria den Champagner. Um halb zehn. Das gehört hier zum “Private-Shopping“ dazu. Über eine Stunde lang berät Daria den Mann. Später erzählt sie mir, dass Ulf sonst auch gerne in Begleitung kommt. Von unterschiedlichen Frauen. Im Schnitt gibt er um die 10.000 Euro aus – alle paar Wochen.
Welcome to Heaven
Bevor Daria beim Luxus-Modehaus durchstartete, arbeitete sie für ein bekanntes spanisches Kleidungsunternehmen Unternehmen. Vergleichen lässt sich das schwer. „Wenn mir jemand vorher gesagt hätte, dass die Arbeit hier so aussieht, wie sie sie eben aussieht, dann hätte ich kein Wort davon geglaubt“, erzählt sie. Das Geschäft verteilt sich auf zwei Etagen. Damen unten, Herren oben. Alles liegt penibel an seiner Stelle. Taschen, Kleidung, Schuhe und Accessoires kann der Kunde hier kaufen. Die Teile liegen teilweise im vierstelligen Bereich. Von Geldbörsen für 440 Euro bis hin zu Taschen für 4000 Euro. Kunden sparen teilweise monatelang für ein Teil, andere hingegen kommen wöchentlich, erzählt Daria. Das Konzept des Geschäfts ist bis ins kleinste Detail durchdacht. Der Duft, der die Kleidung umhüllt, lässt sich an einer Duft-Station testen. Die perfekt gebügelte Kleidung und die sanften Stimmen der Mitarbeiterinnen. Der flauschige Langflor-Teppich, der aussieht als hätte man ihn gestern erst verlegt. Und auf dem man läuft wie auf Wolken. Die angenehme und wohlig klimatisierte Luft. Welcome to Heaven – oder eben Welcome to Louis Vuitton. Wie sie mit dem Konzept, der Kleidung und den Kunden umgeht, hat sie in einem “Trainings-Camp“ im Müchener Store gelernt.
Das Kundenspektrum ist breit gefächert. Von normalen Kunden, die sich ihren Lebenstraum erfüllen, über Prominente bis hin zu Menschen, für die das Luxus-Modehaus preislich denselben Stellenwert hat, wie Teenie-Labels für den Normalverdiener. Die meisten Prominenten wären nett und respektvoll. Mit vielen Spielerfrauen von bekannten Fußballern ist Daria mittlerweile per du. Die meisten sind froh, wenn sie dem Personal auf Augenhöhe begegnen können. Der unfreundlichste prominente Kunde war Thomas Gottschalk. „Unfreundlich, abgehoben und teilweise schon fast respektlos. Aber psst, das hast du nicht von mir“ beichtet Daria. Scheinbar doch kein Goldbär, der Thommy.
Obwohl die 29-Jährige mit ihrer zierlichen Figur und langen blonden Haaren im Umgang mit Kunden und Personal sehr sicher erscheint, wirkt sie im Gespräch schon fast schüchtern. Fast so als wäre es ihr unangenehm darüber zu sprechen, dass sie ihren Job liebt und stolz darauf ist hier zu arbeiten. Nach ihrem Studium in “International Business Management“ arbeitete sie lange für ein spanisches Modeunternehmen. Irgendwann sehnte sie sich jedoch nach Veränderung. Louis Vuitton war zu dem Zeitpunkt schon ewig einer ihrer Lieblings-Luxusmarken. Für die Marke zu arbeiten ,erschien damals noch wie ein Traum. „Ich lebe erst seit meinem zwölften Lebensjahr in Deutschland. Meine Familie kommt ursprünglich aus Russland. Louis Vuitton war damals zwar meine Lieblings-Luxusmarke, aber ich hätte mir nicht mal im Ansatz etwas davon leisten können“, berichtet sie in akzentfreiem Deutsch.
Neben Stammkunden wie Ulf gibt es auch jene, die sich vom Personal, gepaart mit dem Shopping, psychisch durch diverse Episoden im Leben begleiten lassen. Brigitte war jahrelang Stammkundin zusammen mit ihrem Mann. Jeden zweiten Tag shoppten die beiden im vierstelligen Bereich. Farblich passend zum Lamborghini (der so oft vor dem Store parkte, dass man hätte meinen können, er würde zur Dekoration des Stores gehören) kaufte ihr Mann ihr mal einen Teddybären. Nach langer Abwesenheit erschien Brigitte alleine im Store. In der Tasche den Teddybären (Aktueller Marktwert bei 20.000 Euro). Von ihrem Mann mittlerweile getrennt, dafür mit dem Teddybären, den sie nun für ihren Mann hielt, der sie betrogen hat. Verloren in einem Paralleluniversum, in dem sie gemeinsam mit ihrem Teddybären Champagner trinkt.
Für Daria steht fest, dass der Großteil ihrer Kunden in einer Blase leben, die für Menschen, die nicht aus dieser Welt kommen, nicht zu verstehen ist. Viele ihrer wohlhabenden Kunden sind oft emotional und psychisch verloren. Die Fassade nach außen wirkt im ersten Moment für viele erstrebenswert. Auch für Daria war es anfangs so. Aber diese Fassade zerfällt nach einigen Gesprächen oft in Millionen Teile. Im ersten Moment klingt das vielleicht komisch, aber ihre Kunden sind oft froh darüber, dass Daria aus einer „normalen“ Welt kommt.
Nach den Terminen am Morgen verbringt sie viel Zeit im Büro. Neben Abrechnungen, Kundenbetreuung und generellem Papierkram, trifft sie sich regelmäßig über Zoom mit anderen Stores zum Meeting. Was läuft gut, was läuft schlecht. Worauf liegt aktuell der Fokus. Trotzdem wird sie ständig auf die Verkaufsfläche gerufen. Die Antwort auf spezifische Fragen oder das Erfüllen von besonderen Kundenwünschen kann nur sie.
Zukunft liegt in Dubai
Von Anfang an fühlte sich Daria sehr wohl im Unternehmen. Anders als erwartet, ist der Umgang im Team und mit Vorgesetzten sehr liebevoll und respektvoll. Überall herrscht ein freundliches Verhältnis. Konflikte gibt es kaum. Und wenn doch, werden diese sofort und Augenhöhe geklärt. Auch den Arbeitsdruck, den die junge Deutsche mit russischen Wurzeln, aus dem Fast-Fashion-Bereich kennt, gibt es bei Louis Vuitton nicht. „Hier muss man sich keine Sorgen machen, ob wir den Umsatz schaffen. In dieser Preisklasse gibt es so etwas nicht. Hier geht es darum, den bestmöglichen Service für unseren Kunden zu bieten“, erzählt Daria. Darüber sei sie auch froh.
Auch über die Zukunft ist sie happy. In zwei Monaten zieht sie nach Dubai. Dort wird sie in einer höheren Position in der Dubai Mall für Louis Vuitton arbeiten. Daria ist gefragt, denn als gebürtige Russin und den dementsprechenden Sprachkenntnissen wird sie gerade in den arabischen Ländern gebraucht. Sehr viele Kunden dort kommen aus russischsprachigen Ländern und wollen auch auf dieser Sprache bedient werden. Um dort einen guten und entspannten Start zu haben, stellt das Unternehmen der 29-jährigen für die ersten Monate eine Wohnung.
Wie lange sie bleiben möchte, weiß sie noch nicht. Daria betont: „Die meisten die, nach Dubai gezogen sind, sind nicht länger als fünf Jahre dort geblieben. Dubai ist der perfekte Ort, um viel zu arbeiten und dabei eine Menge Geld zu verdienen. Viele konnten sich nach ihrem Aufenthalt in Dubai hier in Deutschland ein Haus auf einen Schlag kaufen. Das mit dem Geld verdienen ist aber auch mein Plan.“ Das einzige, was aktuell für sie feststeht, ist dass sie zukünftig erstmal für das Unternehmen arbeiten möchte. „Die Affinität zum Luxus-Modehaus liegt vermutlich in meinem russischen Blut“ scherzt sie, während im Hintergrund ein Einkaufskorb im Wert von 8400 Euro über die Ladentheke geht.
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