Eine Glosse von Maren Buschhüter
Einfach sehen und genießen: Das scheint es nicht mehr zu geben. Heute heißt es: Handy hoch und bloß keine Sekunde verpassen, damit man sich das Konzert später zu Hause ansehen kann.
Wer kennt es nicht: Man steht stundenlang in der Kälte für ein Konzert an und dann endlich gehen die Türen zu den heiligen Hallen auf. Alle sind voller Euphorie und können es gar nicht mehr abwarten, endlich das ganze Konzert mitfilmen zu können. Wären da nur nicht die vereinzelten Irren, die am Eingang den ganzen Verkehr aufhalten, weil der Türsteher kein Handy bei Ihnen gefunden hat. Gleich geht doch das Konzert los. Hoffentlich verpasst jetzt auch kein Smombie den richtigen Moment, um bei der Videoaufnahme auf Play zu drücken. Sagte ich eben „Smombie“? Ach ja, richtig. Es soll ja vereinzelte Außerirdische geben, die diesen Begriff nicht kennen. Also in aller Kürze: Smartphone plus Zombie-ähnlicher-Zustand gleich Smombie. Ist doch logisch.
Das schillernde Leben auf dem Smartphone-Display
Vielleicht gibt es Menschen, die behaupten, dass einige vergessen in der Realität zu leben, aber das wäre natürlich Quatsch! Schließlich könnte die Welt da draußen niemals mit der Brillanz eines Smartphone-Displays mithalten.
Es wäre ja auch wirklich tragisch, wenn man am nächsten Tag nicht mehr weiß, dass man am Vorabend auf einem Ed Sheeran Konzert war. Wie gut, dass man das ganze Konzert auf dem Handy gesichert hat, um es sich auch noch in zehn Jahren ansehen zu können – falls der Speicher dann noch nicht voll ist.
Stilvoll bis auf die Knochen
Auf der Bühne schüttet der Künstler dann sein Herz für seine Fans aus. Die sind ihrem Idol natürlich treu ergeben und verbiegen sich bis aufs Äußere, -ist da gerade ein Wirbel rausgesprungen? – um die Instagram-Fotos auch so stilvoll wie möglich zu halten. Denn schließlich muss auch jeder wissen, dass man auf diesem Konzert war. Am besten jetzt sofort und auf mindestens zehn verschiedenen Kanälen. Dann was gäbe es Schlimmeres, wenn ein Follower nicht sofort wüsste, was man an diesem Abend macht?
Finger weg von der Realität
Also bitte lasst uns weiterhin durch unseren Bildschirm leben, denn am Ende kommt es doch genau darauf an: Die digitalen Erinnerungen. War doch so, oder? Am besten sollte das nochmal jemand auf Instagram nachlesen.
Foto: Pixabay.com
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