In seinen Einsätzen bekommt es der Ordnungsdienst mit verschiedensten Problemen zu tun. (Foto: Pixabay)
Wenn die Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes auf Streife gehen, wissen sie nicht, was sie erwartet. Ein Job voller Unwägbarkeiten und Risiken. Unterwegs mit den Ordnungskräften in Gelsenkirchen.
Eine Reportage von Leon Kaminski
Ein regnerischer Sonntagmittag in Gelsenkirchen, unter dem wolkenverhangenen Himmel ist von Sonne keine Spur. Stefanie Schulz und Chris Wolters (Namen von der Redaktion geändert) laufen für den Kommunalen Ordnungsdienst in Gelsenkirchen gerade Streife durch den Nordsternpark in Gelsenkirchen. Es ist alles ruhig, nur einige Enten sind zu hören und belagern die nassen Parkwiesen. Mit jedem Schritt spritzt der Matsch des Weges auf. Plötzlich kommt über die Leitstelle ein Einsatz rein. Lärmbelästigung in einem Haus nicht weit entfernt. „Den übernehmen wir“, lautet Chris´ Antwort an die Leitstelle. Der Unruhestifter sei ein „alter Bekannter“.
Also zurück zum Wagen, der von Chris vorher extra so am Parkeingang geparkt wurde, das sie im Fall einer Flucht oder Verfolgung schnell losfahren können. „Eigensicherung ist bei uns total wichtig, ich will da kein Risiko eingehen“, so Chris, als er ins Auto einsteigt. Er ist 27, mittelgroß mit hellem Haar und seit fünf Jahren „auf Streife“ in Gelsenkirchen. Stefanie ist 43, etwas kleiner und hat blondes Haar. Auch sie sorgt bereits seit mehreren Jahren für Ordnung in der Ruhrgebiets-Stadt.
Spannung beim Hauseinsatz
Zusammen bilden sie seit knapp einem Jahr ein Team. Ihre Aufgaben sind vielfältig: Sie evakuieren Gebiete bei Bombenentschärfungen, ermahnen jedoch auch Hundehalter, wenn im Park die Leine fehlt. Sie verwarnen Falschparker, lösen jedoch auch aus dem Ruder laufende Partys auf und überwachen U-Bahnhöfe. Jetzt jedoch steht die Lärmbelästigung an. Vor dem Haus angekommen liegt Spannung in der Luft. Stefanie und Chris kennen den Ruhestörer zwar aus früheren Einsätzen, wissen jedoch nicht, was sie gleich erwarten wird. Anders als die Polizei sind sie unbewaffnet. Einzig die stich- und schusssichere Weste sowie ein Pfefferspray können bei der Verteidigung helfen.
Ein Nachbar öffnet die Haustür. Im Haus sind die Wände vor langer Zeit einmal gelb tapeziert worden, die Decken im Eingangsflur sind hoch. Auf dem ersten Treppenabsatz liegen viele verstreute Zeitungen und Werbe-Prospekte, auf der Wohnungstür neben der Treppe im Erdgeschoss klebt ein Schalke-Aufkleber. In der dritten Etage angekommen klopfen und schellen Chris und Stefanie mehrmals an der Tür des Musikfans – es rührt sich nichts, auch ist nichts zu hören. Ist er abgehauen? Tut er nur so, als sei er nicht da? Es sind Momente wie diese, in denen das Adrenalin steigt. Dann, nach einigen Minuten, öffnet sich die Tür – und ein riesiger, glatzköpfiger Mann mit Sporthose und schwarzem T-Shirt steht vor ihnen.
„Die ist krank, die gehört in die Psychiatrie“
„Oh, ihr seid es. Lange nicht gesehen“, sagt der Mann, der fast die ganze Tür ausfüllt, mit einem Grinsen. Eine fast schon erfreute Begrüßung folgt – man kennt sich eben. „Wollt ihr einen Kaffee?“ Chris verneint und kommt auf die Beschwerde wegen zu lauter Musik zu sprechen. „Die ist krank, die gehört in die Psychiatrie“, so sein Kommentar in Richtung der Nachbarin, die sich nicht zum ersten Mal über ihn beschwert hat. „Ich hab´ nur zwei Lieder gehört und natürlich ruft die sofort an. Wenn ihr weg seid, mach´ ich die Mukke wieder an.“ Stefanie und Chris sind entspannt und begegnen ihm auf Augenhöhe. Trotzdem halten sie eine Distanz zu dem 2-Meter-Mann und ihre Arme immer vor dem Körper.
Der Job beim Ordnungsdienst birgt viele Risiken. „Ich war in meinen paar Jahren hier schon vier Mal im Krankenhaus“, so Chris später mit ernster Miene, als er wieder im großen Ford Transit am Steuer sitzt. Einmal habe er mit einem Kollegen alleine hundert wütenden Fußballfans in einer Gaststätte gegenüber gestanden – und die Situation sei eskaliert. Sie seien beim Fußballgucken nur zu laut gewesen, am Ende landete er im Krankenhaus, weil er angegangen wurde. Seit Corona beobachten Stefanie und Chris, dass sich viele Menschen ihnen gegenüber aggressiver verhalten. „Für die einen sind wir Freund, für die anderen Feind. Den neutralen Bürger scheint es nicht mehr zu geben“, so Stefanie.
Große Abwechslung im Beruf
Mit 70 Mitarbeitern sind sie beim Kommunalen Ordnungsdienst in Gelsenkirchen, der Zusammenhalt untereinander sei „einfach toll“, so Stefanie. Über die Kollegen geraten sie ins Schwärmen: Aus Erfahrung könnten sie alle nachvollziehen, wie schwierig ihre Tätigkeit oftmals sei. Den Fall der Lärmbelästigung schließen sie, sie konnten nichts feststellen. Ob es sie nervt, immer wieder in solche Nachbarschaftsstreitigkeiten hineingezogen zu werden? „Nein, das gehört dazu. Häufig können wir diese Konflikte auch lösen, indem wir vermitteln und Lösungsvorschläge aufzeigen,“ so Chris. Er ist selbst ist Sohn eines Polizisten, die Arbeit beim Ordnungsdienst sei für ihn sogar „häufig gar keine Arbeit“, so sehr mache sie ihm Spaß. Auch Stefanie bestätigt das – es sei besonders die Abwechslung, die den Beruf so spannend mache.
Weiter geht es mit dem Kleinbus durch Gelsenkirchen. Stefanie und Chris schauen sich ständig auf den Straßen um, die Sinne sind geschärft. „Das macht man irgendwann gar nicht mehr bewusst, sondern einfach intuitiv“, sagt Stefanie lächelnd auf dem Beifahrersitz. Es ist die perfektionierte Beobachtungsgabe, die ihnen täglich bei ihrer Arbeit hilft und Gefahren erkennt – auf den Straßen, in den Häusern, in den Parks.
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