Bildquelle: Celina Isenbart
Celina Isenbart ist eine Fotografin aus Berlin, deren Leidenschaft für Sprachen genauso groß ist wie ihre Begeisterung für Fotografie. Was bewegt sie? Was haben Georgien und die Ukraine mit ihr zu tun? Woher kommt diese Liebe für Sprachen?
Autorin: Polina Zatulko
Celina trägt einen schwarzen Blazer und ein gestreiftes T-Shirt, auf ihrem Gesicht eine Brille und ein Lächeln. Sie zeigt ihre Hauptkamera – Canon 6D Mark II, die sie für die meisten Sachen benutzt. Als sie zehn Jahre alt war, nahm sie zum ersten Mal eine Kamera in die Hände. Ihr Schwerpunkt liegt auf der dokumentarischen Fotografie. Derzeit fotografiert sie auf Demonstrationen und Veranstaltungen, hauptsächlich über die Ukraine und Georgien.
Checkpoint Tschernobyl
2019 reiste Lina für ein Fotoprojekt zum ersten Mal in die Ukraine. Der Reisevorschlag kam von einer Bekannten: „Sie meinte, sie würde uns gerne auf eine Gruppenreise in die Sperrzone von Tschernobyl mitnehmen und wollte mich als Begleitperson dabei haben. Nach kurzem Zögern habe ich gesagt: ‚Ja, machen wir!’“
Später hat Lina die Bilder, die sie dort gemacht hat, für ihre Bewerbung um eine Fotografie-Ausbildung verwendet. Aus den Fotos entstand auch ein Fotobuch, was nicht das Ziel ihrer Reise war. Die Idee für das Buch kam erst später, und für sie wurde es „mein erstes großes fotojournalistisches Projekt, was halt auch eine längere Serie ist”.

Wie habt ihr es geschafft, in die Sperrzone von Tschernobyl zu gelangen? Celina sagt: „Der Zugang war gar nicht so schwer. Es gibt Touranbieter, die von Kyjiw aus Gruppentouren anbieten.” Sie erklärt, ohne Begleitung und Genehmigung käme man nicht rein. Es gäbe zwar welche, die illegal hereingingen, aber das sei gefährlich. Mit einer erfahrenen Begleitung würde man nur Orte besuchen, die von den Strahlenwerten her akzeptabel seien, und keine gefährlichen Hotspots. Die Genehmigung werde vom Touranbieter geregelt, und vor der Zone gibt es einen Checkpoint, wo man ein Formular unterschreiben und seinen Pass vorzeigen müsse.



Das Interesse ist geweckt!
Nach der Reise dachte Lina daran, Ukrainisch zu lernen. „Also, als ich das erste Mal in die Ukraine gereist bin, hat halt dieses Interesse an der Ukraine angefangen. Das ist eine sehr unterbewertete Region. Die Leute nehmen das nicht als ein wirkliches Ziel wahr, zu dem man hinfahren kann”, sagt sie. Lina nahm sich vor, bald nochmal hinzureisen. Doch die Pandemie machte diese Pläne zunächst unmöglich.
Während unseres Zoom-Meetings erwähnt sie im Gespräch, dass sie schon einmal versucht hatte, Russisch zu lernen. Aber es hat ihr nicht wirklich gefallen. „Russisch klingt harscher als Ukrainisch. Es hat nicht so diesen schönen melodischen Klang”, sagt sie.
Ich erinnere mich daran, dass wir damals im Jahr 2021 eine kurze Online-Unterhaltung hatten. In der Sprach-App „Tandem“ suchte ich nach einem Gesprächspartner, mit dem ich mein Deutsch üben konnte. Da war ich überrascht, wie sehr Lina motiviert war, ausgerechnet Ukrainisch zu lernen. Denn in den meisten Fällen wählen die Leute Sprachen, die weiter verbreitet sind. Lina lächelte und sagte: „Ich bekomme das auch zu hören, gerade von meinen Eltern. Das habe ich bewusst so gemacht.”
Jetzt lernt sie seit mittlerweile vier Jahren Ukrainisch und studiert es auch an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Studiengang heißt Slawische Sprachen und Literaturen. Es ist nichts Neues, aber was neu ist, dass man Ukrainisch als Hauptsprache studieren kann. Es wird erst seit 2022 angeboten. „Ich bin eine der Ersten, die das studiert. Und eine der wenigen, die als Hauptfach Ukrainistik studiert.” Man wählt eine Sprache aus, die man im Zuge des Studiums lernt. An anderen Universitäten in Deutschland kann man auch Slawistik studieren, aber da muss man Russisch als Pflicht nehmen. Was Lina nicht gefällt, ist, dass sie bisher nicht alle Kurse, die sie macht, für Ukrainisch anrechnen lassen kann.
Georgisch im Fokus
Unser Gespräch findet über Zoom statt. Celina sitzt in ihrem Zimmer. Im Hintergrund ist ein riesiger Schrank mit Büchern zu sehen. Bist du ein Bücherwurm? „Ja, definitiv, schon immer.“ Lina liebt Bücher sehr und arbeitet neben dem Studium in einer Buchhandlung. Auf die Frage nach ihrem Lieblingsbuch denkt sie einen Moment nach und sagt, dass es eine schwierige Wahl sei. Sie nennt das Buch einer georgischen Schriftstellerin „Das achte Leben von Nino Haratischwili”. Es ist eine Familiengeschichte, die sich über mehrere Generationen in Sakartwelo zieht[1]. Liest du es auf Deutsch oder Georgisch? „Auf Georgisch schaffe ich das noch nicht. Ich lese hauptsächlich auf Deutsch oder Englisch. Jetzt will ich mal anfangen, etwas auf Ukrainisch zu lesen.”
Seit einiger Zeit lernt Lina auch Georgisch. Es scheint, als würde Lina Sprachen nach politischen Motiven auswählen. Celina widerspricht, denn sie hat mittlerweile einen georgischen Freundeskreis, den sie über Ukraine-Demonstrationen kennengelernt hat. Die Ukraine und Georgien haben sich über Jahre hinweg gegenseitig unterstützt, und heute ist daraus durch die russische Aggression eine starke Verbindung für beide Staaten geworden. Als Lina von ihren Freunden über Georgien hörte, plante sie eine Reise nach Tbilisi: „Ich dachte, mit Englisch komme ich vielleicht nicht durch. Also habe ich letztendlich angefangen, Georgisch zu lernen. Jetzt bin ich seit fast zwei Jahren dabei.”

Ich frage Lina, ob sie mir etwas auf Georgisch sagen kann. Sie schießt die Worte schnell heraus: „ბაყაყიწყალში ყიყინებს”, transkribiert [baq’aq’i ts’q’alshi q’iq’inebs]. Und sagt dann: „Ich habe drei Monate gebraucht, bis ich das konnte. Der ganze Satz bedeutet übersetzt — der Frosch quakt im Wasser.” Es ist einer der beliebtesten Zungenbrecher im Georgischen.
Wie kann man zu solch einer Aussprache kommen? „Ich sage zwar immer, man muss unbedingt üben, man sollte jede Gelegenheit wahrnehmen. Ganz ehrlich, ich habe auch Angst, Fehler zu machen”, sagt Lina. Ein Tipp von Celina ist, viel zuzuhören, wie es Kinder tun. Kinder hören, wie ihre Eltern um sie herum sprechen, ahmen es irgendwann nach und denken noch nicht darüber nach, ob es richtig oder falsch ist.
Nach unserem Gespräch hat Celina einen Termin mit der georgischen Organisation GZA, deren Sitzungen hauptsächlich auf Georgisch stattfinden. „Das ist dann auch eine Motivation für mich”, sagt sie. Giorgi Kakabadze, einer der Initiatoren der Gründung der GZA, äußert sich über Lina: „Ich erinnere mich, als sie zur ersten Demonstration kam. Damals, 2022, begannen wir mit dem Team, uns zu versammeln, um Solidarität mit der Ukraine zu zeigen, wie es das Volk Georgiens tut, das ebenfalls unter russischer Aggression gelitten hat. Seitdem ist Lina bei uns. Sie ist eine große Unterstützung. Sehr lieb, empathisch, treu und hilfsbereit.” Zuerst hat Lina als Fotografin in der Organisation ehrenamtlich gearbeitet, dann hat sie Demonstrationen auf Georgisch geleitet, und jetzt entwickelt sie neue Ideen für Social Media, besonders für das TikTok-Team.
Welche Sprache ist leichter zu lernen? Nach Linas Einschätzung ist Ukrainisch vom Vokabular her einfacher ist als Georgisch, weil Ukrainisch immerhin noch zur indogermanischen Sprachfamilie gehört, wie die meisten europäischen Sprachen auch. Allerdings ist Ukrainisch grammatikalisch schwieriger als Georgisch. „Im Georgischen und im Ukrainischen gibt es zwar sieben Fälle, aber sie funktionieren unterschiedlich. Im Georgischen gibt es keine drei grammatikalischen Geschlechter, wie jetzt im Ukrainischen oder im Deutschen. Und im Ukrainischen weiß ich manchmal immer noch nicht, selbst auch nach vier Jahren nicht, welchen Fall man wann benutzt. Es ist halt auch anders geregelt als im Deutschen.”
Was möchtest du nach der Uni machen? „Was ich am ehesten machen würde, ist in Richtung Journalismus zu gehen, vielleicht als Osteuropa-Korrespondentin für deutsche Medien”, sagt sie. Lina möchte Fotografie mit dem Schreiben verbinden. Was sie sich aber jetzt vermehrt anschaue, sei das Übersetzen. Sie kann sich vorstellen, entweder Literatur zu übersetzen oder auf Veranstaltungen live zu dolmetschen. Sie will sowohl ihr Ukrainisch als auch ihr Georgisch auf ein Niveau bringen, dass sie professionell damit arbeiten kann.
„Wie viele Sprachen du sprichst, so viele Male bist du ein Mensch“ – ein Zitat von Goethe. Stimmst du diesem Satz zu? „Ich glaube, ich wäre nicht die Person, die ich heute bin, wenn ich mich nicht mit Sprachen beschäftigen würde.”

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