Bildunterschrift: Levin Tomala präsentiert ein unfertiges Werk und den dazugehörigen Entwurf (Foto: Jonas Sasse)
In einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus im Gladbecker Norden versteckt sich das kreative Universum eines aufstrebenden Künstlers. Levin Tomala öffnet die Türen zu seiner Welt und gewährt Einblicke in den Alltag eines selbstständigen Künstlers.
Eine Reportage von Jonas Sasse
Zwischen milchgläsernen Schaufenstern befindet sich der Hauseingang zu Levin Tomalas Wohnung. Im ersten Stock empfängt uns der 27-jährige Künstler. In der Wohnung herrscht Ordnung: Die Einrichtung ist modern mit klaren Linien, jedes Möbelstück scheint mit Bedacht platziert. Die Atmosphäre atmet eine fast meditative Ruhe aus – ein Kontrast zu den wilden Farbexplosionen seiner Kunst. Doch ein Raum fällt aus der Reihe: Wie ein Teppich bedeckt Abdeckvlies den Boden und ist mit gelbem Klebeband verklebt. Der Raum dient als Werkstatt und kreativer Rückzugsort. Hier, zwischen Farbdosen und unfertigen Leinwänden, entfaltet er seine Kreativität. „Hier entstehen meine Ideen”, sagt Levin und zeigt mit dem Finger auf Farbspritzer an den Wänden. Ein dezenter, süßlicher Geruch von frischer Farbe hängt in der Luft.
Die Herausforderungen der Freiheit
Levin ist bereits seit 2019 selbstständig. Vorher hat er eine Lehre zum Fahrzeuglackierer abgeschossen. „Der Weg in die Selbstständigkeit war nicht einfach”, gesteht er und erzählt von Formularen, Steuererklärungen und bürokratischen Hürden, die ihn anfangs überforderten. Sein Büro befindet sich im Schlafzimmer. Über dem Schreibtisch hängt eine Kork-Pinnwand. Daran pinnen viele geöffnete Briefe. Er schaut darauf und sagt: „Als Künstler bist du plötzlich auch Geschäftsmann – und ich bin kein Business-Mensch. Also ich kann malen, ich bin technisch top. Aber ein Geschäft führen kann ich nicht.” Er lacht.
In dem kleinen Atelier steht Levin vor einer großen Leinwand. Das Gemälde ist wie ein Mosaik aus etwa zwanzig verschiedenen Motiven – jedes eine Erinnerung, ein Symbol der Liebe, vom Auftraggeber-Pärchen sorgfältig ausgewählt. Mit konzentriertem Blick tritt er einen Schritt zurück, um sein neuestes Werk zu betrachten. Seine Augen scannen kritisch jedes Detail.
24/7 Künstler: Ein Leben für die Kunst
„Ich arbeite eigentlich 24/7 und 12 Monate im Jahr”, sagt er. Ein Arbeitsrhythmus, den er erst entwickeln musste. „Als ich noch bei meinen Eltern wohnte, habe ich mir nach einem guten Auftrag auch mal einen Monat freigenommen. Seit ich alleine wohne, will ich mich aber ständig weiterentwickeln.”
Seit Beginn des Jahres arbeitet Levin an einer Serie zum Thema Tod und Leben. Er holt ein Werk von der Wand und sagt: „Die große Frage ist halt, was mach’ ich für Kunst, für wen, mit welcher Intention und welcher Wirkung?” Wegen solcher Gedanken möchte er seinen Werken in Zukunft noch mehr Tiefe und Zusammenhang verleihen. Mit dieser Serie möchte er einen roten Faden in dieser Thematik abbilden.

Zwischen Leinwand und Hauswand
Lange Zeit zieht Levin echte Wände den Leinwänden vor. Zuletzt gestaltete er zusammen mit seinem Kollegen Beni Veltum, eine vier Stockwerke hohe Hausfassade in der Altstadt von Gelsenkirchen. Mit der Sprühdose entstand dort ein buntes Graffiti, dass die Sängerin Taylor Swift in Übergröße präsentiert. Zurzeit konzentriert er sich auf Leinwände. „Ich wollte mich schon immer gerne mit Portraits beschäftigen, doch mit der Sprühdose muss ich direkt eine mindestens drei Meter hohe Wand malen damit das mit der Strichstärke passt. Nun habe ich Ölfarbe auf Leinwand für mich entdeckt.” Er fügt hinzu, dass kleiner nicht gleich unkomplizierter bedeutet. „Doch es ist gemütlicher als draußen in der Kälte zu sprühen“, schmunzelt er.
Levin lebt seinen Traum, muss aber auch die Herausforderungen der Selbstständigkeit meistern. In seinem Werkraum, umgeben von Farben und unfertigen Werken, wird deutlich: Hier arbeitet jemand, der seine Begeisterung zum Beruf gemacht hat.

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