Melanie Rohde arbeitet seit 2018 in der Jugendhilfe im Strafverfahren und im erzieherischen Kinder- und Jugendschutz der Stadt Heiligenhaus. Zusammen mit ihr beantwortet tagger.de die relevantesten Fragen zum Thema Gewaltprävention im Jugendschutz.

Von Frederik Brack

Was bedeutet Gewaltprävention bei Jugendlichen und Kindern?

Prävention bedeutet, etwas vorzubeugen. Gewaltprävention soll dafür sorgen, dass es gar nicht zu gewalttätigem Verhalten kommt. Kindern und Jugendlichen wird ein Miteinander beigebracht, was ihnen ermöglicht friedlich zusammen zu interagieren. 

Warum ist Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen so wichtig?

Das Ziel sollte es sein, in einer möglichst gewaltfreien Gesellschaft zu leben. Der Grundstein dafür wird bei den Jüngsten der Gesellschaft gelegt: eine Erziehung, in der niemand psychisch oder physisch verletzt wird.

Was für Strategien und Programme gibt es, um Gewalt bei Kindern und Jugendlichen vorzubeugen?

Die Arbeit der Schulen wird in drei Eskalationsstufen eingeteilt.

Im Falle der ersten Stufe ist noch kein gewalttätiges Verhalten bei den Kindern und Jugendlichen aufgetreten. Hier lernen die Kinder die Grundlage: Über ihre Gefühle zu sprechen. In Übungen lernen die Kinder Vertrauen aufzubauen und miteinander zu reden.

Die Strategien der zweiten Stufe kommen zum Einsatz, wenn beispielweise in einem Klassenverband Mobbingvorfälle auftreten. Lehrer:innen werden geschult, um den Kindern möglichst gut bei ihren Problemen helfen zu können. Die betroffene Schulklasse erarbeitet Empathie in passenden Workshops, in dem sich die Kinder den Fragen stellen „Wie fühlt sich das Opfer?“ oder „Wie fühlt sich der Täter“.

Sind Kinder und Jugendliche bereits gewalttätig und damit oft einhergehend straffällig geworden, werden Programme der dritten Stufe angewandt. In Aggressionstrainings lernen Jugendliche und Kinder, ihre eigenen Gefühle besser wahrzunehmen und zu begreifen. Die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion, sowie Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen werden verbessert und gestärkt. Außerdem werden kritische Situationen, wie Konflikte und Streit, Frustrationen und Enttäuschungen simuliert, um eine friedliche Kommunikation zu üben.

Was kann man als Elternteil tun, wenn das Kind gegenüber anderen gewalttätig ist?

Eltern können sowohl Lehrer:innen des Kindes oder das Jugendamt kontaktieren. In beiden Fällen werden in Absprache mit den Eltern Maßnahmen wie zum Beispiel Antigewalttrainings durchgeführt. Bei Erziehungsberatungsstellen können sich Erziehungsberechtigte psychologische Hilfe und Tipps zur generellen Erziehung der Kinder und Jugendlichen holen.

Und auch hier gilt stets: Bringen Sie den Kindern von Anfang an bei, ihre Gefühle zu äußern. Nur so kann man gemeinsam erfahren was hinter den Aggressionen steckt und den Auslöser beseitigen.

Wie kann man Kindern eine gewaltfreie Kommunikation beibringen?

Eine besonders bildliche Herangehensweise der gewaltfreien Kommunikation ist die Strategie nach Marshal Rosenberg. Es wird mit der sogenannten Giraffen- und Wolfssprache gearbeitet.

Die Giraffe hat ein besonders großes Herz und kann mit dem langen Hals stets einen guten Überblick bewahren. Mit der Giraffensprache soll das Kind lernen, in Situation wo es selbst aggressiv wird, die Situation von oben herab neutral zu beobachten und sich fragen, wie es sich gerade fühlt. Aus diesem Gefühl heraus soll ein Bedürfnis formuliert werden und kommuniziert werden. Dann können die Kinder etwas an der Situation ändern.

Die Wolfssprache ist das Gegenteil, eine aggressive Kommunikation, bestehend aus Vorwürfen, Streit und Gewalt.

Was löst gewalttätiges Verhalten bei Kindern und Jugendlichen aus?

Auslöser für gewalttätige Kommunikation gibt es viele. Die üblichsten sind Sprachbarrieren, die familiäre Situation und Hilflosigkeit.

Spricht das Kind oder der Jugendliche nicht die gleiche Sprache wie sein Gegenüber, sieht es manchmal aus Hilflosigkeit keinen anderen Ausweg als Gewalt. Auch bei geistiger Beeinträchtigung kann dies der Fall sein, da sich das Kind oder der Jugendliche nicht so ausdrücken kann wie der oder die gleichaltrige Gesprächspartner:in.

Die familiäre Situation ist eine besonders häufige Quelle von aggressivem Verhalten. Wird man selbst Opfer von häuslicher Gewalt, erfolgt oft eine Opfer-Täter-Umkehr. Das Kind übernimmt also die körperliche Konfliktstrategie der Eltern. Kommt es zu Mobbing, ist es teilweise der Fall, dass eine verbale Kommunikation oft zu keinem Ergebnis führt und das Kind oder der Jugendliche sich nicht mehr besser zu helfen weiß als zuzuschlagen. Eine Teilschuld liegt auch oft bei den Aufsichtspersonen. Denn wenn die Lehrer:innen den Mobbingfall nicht bemerken, erhält das Kind oft nicht die Unterstützung, die es eigentlich benötigt.