- Self-Tracking entwickelt sich immer mehr zu einem Trend
- Ich tracke im Selbstversuch Schritte und Kalorien
- Auswirkungen können ein langfristig gesünderer Lebensstil, aber auch der Verlust des eigenen Körpergefühls sein
Kalorien und Nährwerte der Nahrung ermitteln und die täglichen Schritte zählen. All das mit dem Handy und Fitnesstrackern, sogenannten Wearables. Digitale Selbstvermessung – unter Experten auch als Self-Tracking bekannt.
Was früher ein Randthema war, wird heute immer populärer. Schon längst sind die technischen Gadgets und Apps nicht mehr nur Leistungssportlern vorbehalten. Im Gegenteil: Rund 21 Prozent der Deutschen tracken ihre Daten in mindestens einem Lebensbereich, 16 Prozent der Self-Tracker nutzen dafür Wearables. Tendenz steigend. Das ergab eine Studie der Splendid-Research GmbH im vergangenen Jahr. Besonders beliebt ist die Selbstvermessung bei den 20 bis 29-Jährigen, 39 Prozent von ihnen nutzen Tracking-Anwendungen.
Das vermessene Ich
Eine Zielgruppe zu der ich mit meinem Alter von 20 Jahren ebenfalls gehöre. Also warum den neuen Trend nicht selbst einmal ausprobieren? Eine Woche lang Ernährung und Schritte tracken.
Die erste Hürde: passende Apps zu finden. Unter hunderten Vorschlägen. Mehr oder weniger wahllos entscheide ich mich für zwei der Anwendungen. Meine täglichen Schritte zeichnet ein Wearable auf.
Welches ist das beste Fitnessarmband zum Self-Tracking?
Iss für eine optimale Gesundheit
„Was ist dein Ziel?“, fragt mich die Ernährungsapp. Lebe gesünder, nimm ab, nimm zu. Jegliche Form der Selbstoptimierung also. Ich wähle die erste Möglichkeit. Iss und trainiere für eine optimale Gesundheit prangt auf dem Bildschirm.
1742 Kalorien aufgeteilt in 218 Gramm Kohlenhydrate, 87 Gramm Protein und 58 Gramm Fett. So sieht also meine perfekte Ernährung aus. Das Prinzip der App: Alle Mahlzeiten, die über den Tag verzehrt werden, sollen in das Ernährungstagebuch eingetragen werden.
Fehlende Gerichte und ungenaue Schätzungen
Das Eintragen funktioniert gut, so lange ich zu Hause bin und genau weiß, welche Lebensmittel ich zu mir nehme. Anders sieht es jedoch aus, wenn ich außer Haus esse. Asia Knusperschnitte – das heutige kulinarische Meisterwerk der Mensa kennt die App nicht.
Knusper-Ente auf Gemüsebett schlägt sie mir stattdessen vor. Bestimmt auch lecker, aber eben nicht das, was ich gegessen habe. Also versuche ich im Internet die Kalorien der Mahlzeit irgendwie doch noch herauszufinden. Nach langem Suchen finde ich eine Angabe, die ungefähr passen könnte. Nur eine ungenaue Schätzung, aber besser als keinen Wert einzutragen.
Im Tracking-Wahn den Müll durchsucht
Ich verfalle immer mehr dem Tracking-Wahn. Jeder einzelne Klecks Ketchup wird genauestens dokumentiert. Das fällt auch meinem Umfeld auf. Genervte Blicke. Immer wieder dumme Sprüche, wenn ich mit meinem Handy Barcodes abscanne oder den Markennamen von Lebensmitteln erfrage. Als meine Mutter die Reisverpackung vom Mittagessen schon entsorgt hatte, fing ich sogar an die Papiertonne zu durchsuchen. Schon etwas übertrieben, merke ich selbst.
Dass so ein Tracking auch gefährlich werden kann, weiß Sportpsychologin Katharina Hartmann. Dies sei der Fall, sobald die Selbstvermessung zum Zwang wird und man sich über die Zahlen definiert. Sogar ein Verlust des eigenen Körpergefühls sei möglich.
Motivation und Neue Gewohnheiten
Die Vorteile überwiegen jedoch, wie Katharina Hartmann bestätigte. Self-Tracking könne die Motivation steigern und langfristig zu einem gesünderen Lebensstil führen. Das habe ich auch in meinem Selbstversuch gemerkt.
Wenn mein Wearable am Abend noch nicht mein Schrittziel – 10.000 Schritte – angezeigt hat, hat mich das zu einem kleinen Spaziergang motiviert. Tagsüber gab es ebenfalls einige Veränderungen. Treppe statt Fahrstuhl. Eine Station früher aussteigen und laufen. Schließlich hatte ich in der App ein Laufduell gegen meinen Vater gestartet und das wollte ich gewinnen. Auch meine Ernährungsapp hat mir mit kleinen Animationen und Motivationssprüchen geholfen, mein Kalorienziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Darunter die Bildunterschrift: Mein Schrittziel habe ich jeden Tag erreicht. Eine besondere Motivation war dabei das Schrittduell gegen meinen Vater. Die verwendete App heißt „Samsung Health“ und ist ebenfalls kostenlos.
Ziel erreicht?
Selbst an stressigen Uni-Tagen konnte ich mir Zeit einplanen, um mich zu bewegen und die 10.000 Schritte zu erreichen. Das Ernährungstracking fiel da schon schwerer. Nicht das Einhalten des Kalorienziels, da ich durch die viele Bewegung dementsprechend mehr essen konnte, sondern das mühselige Eintragen der Lebensmittel in die App. Auch die Verteilung der Makronährwerte Kohlenhydrate, Protein und Fett entsprach nicht immer der Vorgabe der App.
Insgesamt konnte ich in der Woche viel über mich selbst und meine Gewohnheiten lernen. Durch das Kalorientracking habe ich ebenfalls einiges über die Nährstoffzusammensetzung von Lebensmitteln und ihre Kaloriendichte erfahren können, was mir bei meiner zukünftigen Ernährung weiterhelfen wird. Meiner Meinung nach, ist das Self-Tracking eine gute Möglichkeit, um seine Gesundheit zu kontrollieren. Wichtig ist nur, dass man es nicht übertreibt oder seinen Alltag von der Selbstvermessung bestimmen lässt.
Comments are closed