Thomas Kessler ist Kölner durch und durch. Als gebürtiger Domstädter stand er 20 Jahre für den 1. FC Köln im Tor und blieb dem Verein auch nach der aktiven Karriere treu. Im Querschreiber-Interview spricht er über Highlights, Rückschläge und seine Teilnahme am ersten Manager-Lehrgang der Deutschen Fußball Liga und dem Deutschen Fußball Bund.
Von Julian Böhm, Christian Toussaint, Ton Veltrup und Dennis Zaremba
Querschreiber: Hallo Thomas, Du hast dein Profi-Debüt „erst“ mit 21 Jahren gegeben. In Zeiten von Youssoufa Moukoko ist das relativ spät. Wie beobachtest du diesen Trend?
Thomas Kessler: Zuerst einmal war das damals noch eine andere Zeit. Ich glaube, dass wir noch nicht so professionell vorbereitet wurden. Der DFB und die Vereine leistet da sehr gute Arbeit in den letzten Jahren. Gerade zum Ende meiner Karriere , merkte ich immer wieder, dass junge Talente schon viel bessere Voraussetzungen mitgebracht haben, als ich zu Beginn meiner Profizeit. Von daher ist es keine große Überraschung, dass die Spieler heute schon in jungen Jahren eingesetzt werden können. Bei Moukoko ist es allerdings schon außergewöhnlich. Es wurde schon viel über ihn berichtet, bevor er überhaupt seine ersten Bundesliga Minuten absolviert hatte. Dieser Fall zeigt wie hoch die Erwartungshaltung schon in jungen Jahren sein kann.
Was würdest du jungen Spielern mit auf den Weg geben, wenn es nicht so früh klappt?
Jungen Spielern würde ich raten, sofort zu versuchen, einen Mehrwert für die Mannschaft zu schaffen. Nicht jeder Spieler, der sich in der Bundesliga durchgesetzt hat, war von Beginn an ein Wunderkind. Sie sollten dankbar, fleißig und wissbegierig sein. Genau hinschauen was die erfahrenen Spieler im Alltag machen und seine eigene Qualität gezielt für die Mannschaft einsetzen.
„Das absolute Highlight war das Erreichen der Europa League“
Du hast dich als gebürtiger Kölner durch die Jugendmannschaften des FC gekämpft. 2007 standest du dann endlich im heimischen Stadion das erste Mal im Tor. War das dein persönliches Karrierehighlight?
Es war ein sehr tolles Gefühl. Ich war früher selbst als Fan im Stadion. Plötzlich stand ich dann in dem Tor vor der Kurve, in der ich gefühlt vor ein paar Tagen selbst noch war. Auch die vier Bundesliga-Aufstiege (dreimal mit Köln, einmal mit Eintracht Frankfurt) waren etwas Besonderes. Das absolute Highlight war aber das Erreichen der Europa League mit dem FC. Als ich damals von meinen beiden Ausleihen (St. Pauli & Frankfurt) zurückkam, lag vieles im Argen. Der Club war gerade frisch abgestiegen. Ein neuer Trainer- eine komplett junge und größtenteils unerfahrene Mannschaft. Wir hatten allerdings die Möglichkeit über die Jahre etwas aufzubauen und zu entwickeln. Der Gipfel der Entwicklung war natürlich die Qualifikation für die Europa League. Zumal wir dann am ersten Euro League-Spieltag direkt bei Arsenal London starten durften.
In einer Karriere geht es natürlich nicht immer nur bergauf. Wie bist du mit Rückschlägen umgegangen?
Das Jahr, das ich per Leihe bei Eintracht Frankfurt verbracht habe, war für mich sehr schwierig. Nach einer guten Bundesliga-Saison auf Leihbasis bei St. Pauli wollte ich mich bei einem größeren Verein etablieren. Ich habe die Saison begonnen und auch nicht schlecht gehalten. Allerdings gab es nach dem unerwarteten Abstieg in Frankfurt rund um den Club große Unruhen. Um diese einzudämmen hat der Trainer sich leider dafür entschieden den erfahrenen Torwart und Zuschauerliebling zurück ins Tor zu stellen. Das war eine harte Zeit für mich. Für meine Persönlichkeitsentwicklung war diese Erfahrung Gold wert. Diese Erfahrung hilft mir heute noch ungemein.
Vereinstreue aus Liebe – auch ohne Spielzeit
Du bist den Kölnern in deiner gesamten Karriere treu geblieben, auch wenn das nicht immer mit viel Spielzeit verbunden war. Kam für dich nie in Frage einen anderen Weg einzuschlagen?
Doch, der Gedanke war definitiv da! Sowohl direkt nach meiner Leihe nach St. Pauli als auch nach dem Erreichen der Europa-League hatte ich einige Optionen noch mal einen anderen Weg einzuschlagen. Aber die eben erwähnten umstände haben dazu geführt, dass ich in Köln geblieben bin. Ich habe hier gemerkt, dass ich die Chance habe ein Teil einer interessanten Aufgabe zu sein. Der Club hat sich großartig entwickelt und auch mit wenig Einsatzzeiten habe mich einen wichtigen Part im Club ausfüllen können. Dies ging zugegeben nur deshalb, weil der 1. FC Köln schon immer mein Verein war. Ich denke die Rolle als Sportler in diesem Ausmaß über so einen langen Zeitraum auszufüllen, war nur in dieser besonderen Konstellation möglich.
Durch die Rolle im Mannschaftsrat wuchs das Interesse am Management
Diese Verbindung besteht bis heute. Wie bist du dazu gekommen, nach der aktiven Karriere in die Rolle des Funktionärs zu wechseln?
Da ich nicht jede Woche im Spielertunnel stand, hatte ich die Möglichkeit mich viele Dinge zu gekümmert um den anderen Führungsspielern in meiner Mannschaft ein Stück weit den Rücken frei zu halten. Ich war viele Jahre fester Bestandteil des Mannschaftsrates und dadurch eine Art Schnittstelle zwischen Mitspielern und Management. Die ganzen Hintergründe fand ich schon immer spannend. Mit Mitte 20 fing ich dann an Sportmanagement zu studieren. Auch wenn es mir nicht leicht fiel sich wieder hinzusetzen und zu lernen, habe ich das Studium erfolgreich abgeschlossen. Als meine aktive Karriere langsam zu Ende ging, führte ich viele Gespräche mit Alexander Wehrle (Geschäftsführer 1.FC Köln) ob wir einen Mehrwert für beide Parteien erzielen können mich nach meiner Karriere weiter im Club einzubinden. Aktuell durchlaufe ich daher ein Trainee Programm und habe die Chance so viele Abteillungen des Clubs intensiv kennenzulernen. Zeitgleich hat der DFB und die DFL den Management-Zertifikatslehrgang ins Leben gerufen. An diesem Lehrgang direkt nach Karriereende teilnehmen zu können ist für mich ein Glücksfall.
Was sind die Vorteile dieses Lehrgangs?
Um als Trainer in der Bundesliga arbeiten zu dürfen benötigt man einen Fußballlehrer. Als Geschäftsführer oder Sportvorstand benötigt man dagegen keinerlei vorgeschriebene Qualifikationen. Um den Profisport weiter zu professionalisieren wurde dieser Lehrgang ins Leben gerufen. Ich persönlich finde, dass es heutzutage unmöglich ist diese Aufgabe mit Learning-By-Doing auszufüllen. Man trägt in einer Führungsposition in einem Proficlub eine enorme Verantwortung der man von Tag eins an gerecht werden muss. Auch der öffentliche Druck spielt dabei eine große Rolle. Durch die Corona-Pandemie ist das nicht weniger geworden. Der Lehrgang soll junge, ambitionierte Funktionäre besser auf ihre zukünftigen Positionen vorbereiten. Bisher kann ich nur positiv von dem Lehrgang berichten.
„Mein Ziel ist es mittelfristig in einer führenden Position im Profifußball zu arbeiten“
Wohin soll dein Weg mit Hilfe des Lehrgangs in den nächsten Jahren führen?
Kurzfristig möchte ich die Zeit nutzen, so viel Erfahrung wie möglich zu Sammeln. Darüber hinaus möchte den Zertifikatslehrgang erfolgreich abschließen. Mittelfristig ist mein Ziel in einer führenden Position im Fußball zu arbeiten.
Du hast die Corona-Pandemie bereits angesprochen. Was glaubst du, wird sich dadurch mittelfristig im Fußball ändern?
Ich glaube die Situation sollte uns alle demütiger werden lassen. Volle Stadien, große Menschenmengen die sich begeistert öffentlich für den Sport interessieren. Diese Dinge fehlen in der jetzigen Zeit enorm. Wirtschaftlich bekommen die Clubs es gerade ebenfalls deutlich zu spüren. Gerade für einen Club wie den FC muss man sich in der Phase genau überlegen welche Investitionen man in Zukunft tätigen kann. Man muss jetzt dafür Sorgen den die weichen so stellen, dass der Club auch in Zukunft Krisen und Sattelfest dasteht. Es ist eine große Herausforderung. Aber ich bin mir sicher, dass wir in Köln hier auf einem guten Weg sind, unseren Fans in Zukunft noch viel Freude bereiten können. Ich bin so sehr Fußballromantiker, dass ich mir wünsche, dass alle den Fußball bald wieder so genießen können wie vor der Pandemie.
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