Die Rusty Diamonds bringen ein Stück Kultur zurück nach Gelsenkirchen in das Herz des Potts.

Marius und seine Band nehmen Sie mit auf eine Backstage Reise durch den Alltag eines Musikers. Zwischen Spaß, Stress und Musik gibt es so Einiges zu erleben.

von Caroline Sophie Höfels

„Nicht nur im Klassenraum stehe ich vor den Schüler:innen, auch bei unseren Auftritten stehe ich liebend gern auf der Bühne“. Marius Stegner ist 23 Jahre alt und seit Januar 2016 begeistertes Mitglied der Band „The Rusty Diamonds“. „Welches Instrument spielst du?“ „Ich spiele nicht nur das Piano, ich singe auch als Backvocal“, freut sich Marius. Durch den Leadsänger, Sven Lidicky, ist Marius auf die „Rusty Diamonds“ aufmerksam geworden. „Aufgrund gemeinsamer Interessen im Bereich der Blues und Rockabilly Musik haben sich unsere Wege vor einigen Jahren gekreuzt.“

Sven öffnet die Tür zum Proberaum der Band. Hinter der dunkelgrauen, recht schweren Tür tut sich ein Kellerraum auf, der wider Erwarten nicht klein, kühl und grau ist, sondern ein Kellerraum, der mit Liebe zum Detail zu einem vollwertigen Proberaum ausgestattet wurde. Warme Beleuchtung erzeugt eine gemütliche Atmosphäre. Links eine Tafel, an der das Programm für den heutigen Abend angeschlagen steht. Daneben der Platz des Gitarristen Florian. Geradeaus steht das wuchtige Schlagzeug des Drummers Phil.

Organisation ist das A und O

Was nicht alles hinter so einem Auftritt steckt. Als Laie glaubt man: Generalprobe, Soundcheck, Auftritt fertig. Das ist längst nicht alles. Am Proberaum, der für gewöhnlich vom Konzertort weiter entfernt ist, stimmen die Jungs die Gitarren und checken Piano sowie Bass, da die richtige Generalprobe bereits zwei bis drei Tage vor dem geplanten Auftritt stattfindet. Danach wird geprüft, ob alle Instrumente, In-Ear-Kopfhörer und Geräte zum Transport bereitstehen.

Rechts neben dem Schlagzeug steht ein großes, braunes Instrument an die Wand gelehnt. „Kann jemand Kontrabass spielen?“ Während Phil antworten möchte ruft Florian durch den Raum: „Hast du deine Gehhilfe, Marius?“ Die Frage sorgt kurz für Verwirrung, bis Marius erklärt: „Mit Gehhilfe meint er meinen Gig-Pianoständer. Der sieht nämlich aus wie eine Art Gehhilfe, die man aus dem Krankenhaus oder der Physiotherapie kennt“, er zeigt dabei auf ein schwarzes Gerät, das sich wie ein Akkordeon auseinanderziehen lässt und wie ein Tisch auf dem Boden steht.

So ein Gig dauert womöglich nur zwei Stunden, aber hinter diesen zwei Stunden steckt weitaus mehr Zeit für die Vorbereitung, das Proben und die Organisation als den meisten bewusst ist. „Einmal hatten wir einen Auftritt, da war ich von morgens 10:30 Uhr bis nachts um 3 Uhr unterwegs, offenbart Marius. Die Müdigkeit sehe ich noch jetzt in seinen Augen, obwohl der Auftritt schon eine Weile her ist. Mir hat sich sofort die Frage gestellt, wie die Band sich um die Verpflegung kümmert. „Das variiert je nach Veranstalter. Manchmal wird uns kostenlos Verpflegung bereitgestellt, manchmal müssen etwas dafür zahlen und manchmal liegt es in unserer Hand, alles selbst zu organisieren“, schildert Marius und ergänzt: „Bisher hat das immer gut funktioniert und niemand musste verhungern.“ Alle Beteiligten fangen an zu lachen.

Abfahrt

Nach einigen amüsanten Gesprächen wird es langsam aber sicher ernst. Die Uhr zeigt 15:45 Uhr an. Das Verladen beginnt. Instrumente, Kabel, Boxen, Ständer, persönliche Gegenstände und Noten müssen auf die Autos verteilt werden. „Wer fährt bei wem mit?“, möchte Luis dann noch wissen. „Sven transportiert den Großteil unserer Utensilien und mich“, antwortet Marius. Alle sind startklar, die Utensilien sind verstaut, die Fahrt beginnt. Ein bisschen scherzen und albern während der Fahrt darf sein, bevor das Ziel erreicht wird. Der Gig-Ort ist ca. 20 Kilometer entfernt.

Am Zirkus angekommen bahnt sich die Band ihren Weg durch den Acker, vorbei an einem Ziegengehege bis zum Hintereingang, um dort direkt die Autos zu entladen. Verstärker und Instrumente werden in das Zelt transportiert, als ein kleiner Jack-Russell-Terrier den Weg streift und ganz aufmerksam das Geschehen beobachtet. Auf die Frage, ob die Jungs von den „Rusty Diamonds“ aufgeregt seien, gab es um 14 Uhr noch die Antwort „Nein, später vielleicht.“ Das sollte sich bewahrheiten. Kurz vor dem Soundcheck ist die Stimmung ein wenig angespannter.

Auch bei Marius macht sich allmählich Nervosität bemerkbar: „Ich mache mir immer Gedanken darüber, ob alle Kabel richtig angeschlossen sind, die Kopfhörer funktionieren und das Publikum unseren Gesang verstehen kann.“ Inzwischen überprüft er sein Mikrofon. Konzentration ist gefordert und doch steht er Rede und Antwort. Multitasking. Das ist heute nicht der erste Auftritt, den die Rusty Diamonds haben. Den größten Spaß hatte Marius bei der Musiknacht im November 2019 in Buer: „Da fand ich es schön, dass wir in sämtlichen Werbeflyern zuvor angekündigt wurden und an dem Abend selbst, einer Bar zugeteilt wurden, in der wir dann den gesamten Abend bis in die Mitternacht hinein, gespielt haben“. „Klingt nach einer Menge Spaß und ausgelassener Stimmung.“ „Absolut. Je später der Abend, desto heiterer wurde das Publikum. Das war superlustig“, verrät Marius und prostet scherzhaft mit leeren Händen seinem Bandkollegen zu.

Nicht nur Musiker aus Leidenschaft

Im wahren Leben, wenn er nicht gerade mit den „Rusty Diamnods“ auf der Bühne steht, drückt Marius noch die Schulbank. Er ist Student der Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Ruhr Universität in Bochum. In seinem Studium kann er erst im Master entscheiden, welchen Weg er gehen möchte. „Ich habe schon als Schüler immer gern beobachtet wie Lehrer interagieren und diese Faszination hat mich nie losgelassen, deswegen werde ich auch den Master auf Education wählen“, sagt er entschlossen. Das Band-Leben ist für ihn eine schöne Abwechslung zum Berufsleben und dennoch findet er: „Es gibt auch Überschneidungen. Als Künstler stehst du auf der Bühne und präsentierst etwas, als Lehrer stehst du vor der Klasse und hast den Unterricht geplant.“ Vor der Kindergartenzeit hat Marius schon in einem Chor gesungen und konnte sich für die Musik begeistern. „Das Gitarre und Piano spielen habe ich übrigens selbst gelernt.“ Mithilfe von YouTube Videos bringt er sich die nötigen Akkorde bei.

Soundcheck und Rocklegenden

„Danny überprüfst du bitte mit Phil die Technik?“ „Ich habe noch nicht über unsere Künstlernamen geplaudert. Darf ich vorstellen, mein Name ist „Milow Cooper.“ Auch die anderen Bandmitglieder haben Künstlernamen. Sven nennt sich „Danny Underwood“. Dann wären da noch „Phil the senator“, „Louie the lip“ und Florian. Zugegeben, das sind Namen, die urkomisch klingen, wenn man sie zum ersten Mal hört.

Die „Rusty Diamonds“ widmen sich den Aufbauarbeiten und einem letzten Soundcheck mit dem Veranstaltungstechniker. Derweil schreitet der Leadsänger der Servants, die Hauptband am heutigen Samstagabend, durch die Manege. Die Servants gründeten sich 1966 und spielen auch heute noch mit purer Freude. Der Frontmann Bernhard Wedding erzählt, dass „Rock im Circus“ heute das fünfte Mal stattfindet. „Jeder Auftritt ist individuell. Es sind immer andere Gäste hier. Das Programm wird von uns laufend neu zusammengestellt. Leider dürfen wir wegen der Anwohner nicht länger als 22 Uhr spielen. Das respektieren wir selbstverständlich und genießen die klasse Stimmung bis dahin trotzdem“, freut sich der Gelsenkirchener.

Manege frei

Die „Rusty Diamonds“ versammeln sich hinter dem blutroten, seidigen Vorhang, bis von vorn eine kräftige Stimme ertönt „Los Rusty Diamonds, 18:58 Uhr, the stage is your´s now.“

„One, two, a one, two, three, four“. Der Bass pulsiert, der Beat dropped, die Gitarren erklingen und Marius haut in die Tasten seines Pianos. Was ein Opening. Es dauert nicht lang, bis die ersten Zuschauer aufspringen. Sie kreisen ihre Hüften im Takt. Rechts neben der Bühne tanzt ein junges Paar im Rockabilly Style. Die Frau trägt einen weiten Rock, ähnlich einem Pettycoat, der Mann ist schwarz gekleidet. Sie schwingen ihr Tanzbein, als gäbe es keinen Morgen. So schnell die ausgelassene Stimmung begonnen hat, so schnell ist der Gig der jungen Männer wieder vorbei. Doch das lässt das Publikum nicht zu. „Zugabe, Zugabe, Zugabe“ flippen die rund 150 Gäste aus. Auch wenn die Band sich schon auf das Einpacken und Abbauen eingestellt hatte, lassen sich die Jungs nicht aus dem Konzept bringen und hauen locker flockig eine Zugabe raus. Danach: Standing Ovations. Unsagbar spannend, einen solchen Tag von beiden Seiten zu erleben. Der Band-Alltag und zugleich das ausgelassene Feeling im Publikum.

„Ich hatte zwar schon sämtliche Stecker gezogen, aber davon lassen wir uns nicht irritieren“, lacht Marius herzhaft nach dem gelungenen Auftritt „da greife ich dann halt zur Rassel und spiele nicht mehr Piano“, grinst er weiter. „Es macht mich glücklich, wenn ich sehe, dass die Menschen heiter tanzen, Spaß haben und wir ihnen einen schönen Abend bereiten können. Gerade weil´s für junge Leute wie uns ungewöhnlich ist, so eine Art Musik zu machen.“

Ein aufregender und anstrengender Tag geht zu Ende. „Das Musikerleben macht schon Spaß, aber ich kann es auch kaum erwarten, meinem Job als Lehrer nachzugehen und dabei die Band als mein liebstes Hobby auf der Bühne weiterzuleben.“