Kennen Sie Bruchmühlen? Ein Dorf in zwei Bundesländern. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Grenze ist ein Kreisverkehr mit fünf Ausfahrten. Jede führt zu einem anderen Ziel. Autobahn, Bahnhof oder Einkaufsläden. So weit, so normal. Doch dieses Szenario ist alles anders als normal. Drei der fünf Ausfahrten führen nach Nordrhein-Westfalen und die letzten zwei nach Niedersachsen.
Von Denise Osterbrink
Dieser Kreisverkehr ist die Hauptschlagader und Landesgrenze des kleinen Dorfes Bruchmühlen. Es gehört zu einem Teil der Stadt Melle, im niedersächsischen Landkreis Osnabrück. Zum anderen Teil gehört es der Gemeinde Rödinghausen, im westfälischen Kreis Herford. Die Straße zum Bahnhof ist niedersächsisch und der Bürgersteig auf der rechten Seite westfälisch.
Von allem zwei
Die Teilung stellt die Einwohner vor manch ungeahnten Herausforderungen wie beispielsweise die Feiertage. Die berühmtesten Beispiele sind der Reformationstag am 31.10 und Allerheiligen am 1.11. Der Reformationstag ist ein Feiertag in Niedersachsen, Allerheiligen in NRW. So sind am 31.10 die wenigen Einkaufsläden auf niedersächsischer Seite geschlossen, während eine Ausfahrt weiter das Geschäft umso mehr floriert.
Auch Paare, die jeweils im niedersächsischen oder westfälischen Bruchmühlen arbeiten und zusammenwohnen, haben sich eine Strategie überlegt. „Als Westfale nehme ich mir am 31.10 Urlaub und meine Frau am 1.11. So haben wir beide zusammen die Feiertage“, sagt ein Einwohner und schmunzelt.
Die insgesamt 6150 Einwohner von Bruchmühlen sind ungleich auf die Bundesländer verteilt. Mit 3400 Einwohnern hat NRW knapp die Nase vorn.
Auch der Winterdienst ist in Bruchmühlen anders als üblich. So kann es vorkommen, dass in einem Teil Bruchmühlens die Straßen gestreut und geräumt sind, während in dem anderen noch Schnee liegt. Die Hauptschlagader der Kreisverkehr ist jedoch immer gestreut, egal von welchem Bundesland.
Doppelspitze
Neben zwei Wikipedia-Artikeln, zwei Einwohnermeldeamten und zwei Fichtenwegen- einen in Westfalen und einen in Niedersachsen- hat Bruchmühlen auch zwei Bürgermeister.
Auf niedersächsischer Seite regiert die SPD. Die Bürgermeisterin von Melle ist Jutta Dettmann. Die Meller SPD hat für Bruchmühlen extra einen Ortsbürgermeister gestellt. Axel Uffmann aus Bruchmühlen. Er ist schon die dritte Amtszeit in Folge Bürgermeister. Mit der absoluten Mehrheit wurde er bei der letzten Kommunalwahl im September 2021 wiedergewählt.
Er hat sich in seiner Zeit als Bürgermeister hohes Ansehen bei allen Bruchmühlenern verdient. Deshalb nehme er die Wahl sehr gerne an, wie er sagt und freut sich auf eine weitere Amtszeit als Bürgermeister. Für Uffmann steht „Wohnen im Alter“ und die Erneuerung der Bruchmühlener Straßen im Vordergrund. „Bis lang führt noch kein Radweg durch den Ort“, sagt er. Das müsse auch geändert werden.
Auf westfälischer Seite regiert der Rödinghausener Bürgermeister Siegfried Lux. Ebenfalls von der SPD. Er wurde im November 2020 Bürgermeister von Bruchmühlen. Er wohnt in Rödinghausen, die Gemeinde, von der Bruchmühlen ein Ortsteil ist.
Für die Zukunft der Kommune hat er sich vorgenommen, die Menschen mehr mitzunehmen, gerade was Politik angeht, denn er hat im Ort seine „Heimat gefunden“, wie er sagt. Heimat verbindet er mit Familie, Freunden und der Zugehörigkeit einer Gemeinschaft. „All dies schafft Nähe. Und diese Nähe zu den Menschen in Rödinghausen ist etwas, das ich auf keinen Fall missen möchte“. Deshalb möchte er die Bürger mehr in die Politik „mitnehmen“.
Mit der Teilung abgefunden
Seit mehr als 160 Jahren ist Bruchmühlen schon geteilt. Doch wie kam die Teilung überhaupt zu Stande? Sie ist zurückzuführen auf den Bau der Westfalenbahn 1855. Die Strecke der neuen Eisenbahnlinie lief zwischen Hannover und Osnabrück durch Bruchmühlen. So siedelten sich immer mehr Handwerker und ihre Familien rund um den Bahnhof an. Das neu gegründete Dorf Bruchmühlen wurde auf Gebieten der Königreiche Preußen und Hannover gebaut. So entstand ein Dorf, mitten durch die Landesgrenzen. Damals Preußen und Hannover, heute Niedersachsen und NRW.
Für den Außenstehenden fällt es auch gar nicht auf, dass Bruchmühlen innerdeutsches Grenzgebiet ist. Baulich und kulturell bilden die beiden Stadtteile eine Einheit. Doch die Bruchmühlener nehmen die Teilung ihres Dorfes mittlerweile gelassen. Einwohner Friedhelm Zingel bringt es auf den Punkt: „Bruchmühlen ist eben zu groß, das passt nicht in ein Bundesland“.
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