Der Begriff „Psychopath“ ist heutzutage in aller Munde. Oft verwenden ihn Menschen, die gar nicht wissen, wofür er eigentlich steht. Man hat schnell das Bild eines „Irren“ im Kopf, wenn man an Psychopathen denkt. Begeht ein Verbrecher eine grausame Tat, so wird er oft als „kranker Psychopath“ abgestempelt. Doch Psychopathie ist weitaus tiefgehender und komplexer. Im Podcast „Knapp Daneben“ reden Marie Thoms und Marie Duda von tagger über Psychopathie und räumen Vorurteile auf.
https://open.spotify.com/episode/2x0Y0AKlHLIXeJ80D8KWTo?si=eb585079bdb94c37
Von Celine Gouveia Pereira
Psychopathie ist keine anerkannte Krankheit. Es gibt keine offizielle Diagnose, die einen Menschen zum Psychopathen erklärt. Vielmehr beschreibt Psychologin Marie Zeitler aus Köln Psychopathie als „psychologisches Konstrukt“. Verschiedenen Studien zufolge sind bis zu fünf Prozent der Weltbevölkerung Psychopathen. Durch ihre Anpassungsgabe fallen viele von ihnen im normalen Leben nicht auf.
Was einen Psychopathen ausmacht
Die grundlegenden Eigenschaften, an denen ein Psychopath zu erkennen ist, sind nicht immer direkt nach außen zu sehen. Psychopathie sind oft impulsiv, rücksichtslos und missachten Regeln. Dadurch, dass Betroffene als äußerst trickreich und betrügerisch gelten, können sie die negativ konnotierten Eigenschaften hinter einer „charismatischen Fassade“ verstecken. So beschreiben es Wirtschaftspsychologen Dr. Kai Externbrink und Moritz Keil der Ruhr-Universität-Bochum. Psychopathen haben oft keine Empathie. Sie nutzen ihre manipulativen Fähigkeiten zu ihrem eigenen Vorteil und gehen dabei, teilweise wortwörtlich, über Leichen.
Psychopathie vs. Soziopathie
Psychopathie wird oft mit der sogenannten Soziopathie verwechselt. Soziopathie ist eine Störung, bei der Betroffene ähnliche Denkmuster aufweisen, so Psychologe Christian Rupp. Auch sie fühlen sich überlegen und können sich nicht in ihre Mitmenschen hineinfühlen. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass sie gar nicht erst versuchen, sich in einer Gesellschaft zu etablieren und diese Charakterzüge zu verstecken. Stattdessen sind sie sehr verhaltensauffällig, indem sie bewusst Regeln missachten. Die Folgen sind oft Straftaten wie Diebstahl und Gewaltverbrechen.
Kriminalität unter Psychopathen
Verbrecher, die eine besonders blutrünstige Straftat begangen haben, werden oft als Psychopathen bezeichnet. Statistisch gesehen ist das auch nachvollziehbar, denn Psychopathen fällt es schwerer, ihre Impulse zu kontrollieren. Da sie einen Hang zur Aggressivität haben, bedarf es bei Psychopathen nur kleiner Auslöser, bis sie die Kontrolle verlieren. Ob ein Psychopath jedoch straffällig wird, hängt unter anderem davon ab, ob er sich in einer Therapie helfen lässt. Psychopathie bringt erwiesenermaßen auch die vermehrte Produktion von Hormonen, die für Wut und Aggressivität sorgen. Die Ausprägungen davon variieren von Mensch zu Mensch und sind nicht immer gleich stark. Psychopathen verspüren zudem keine Angst vor Strafen, weshalb ihre Hemmschwellen bei Straftaten deutlich niedriger sind als die anderer Menschen. Dadurch, dass rund die Hälfte der Psychopathen mit ihren Verhaltensweisen aber nicht auffällig bzw. kriminell wird ist die Dunkelziffer krimineller Psychopathen hoch. Verallgemeinern lässt sich Kriminalität im Zusammenhang mit Psychopathie jedoch nicht.
Erfolgreich sein als Psychopath
Als drastische Abgrenzung zu kriminellen und straffällig gewordenen Psychopathen gibt es auch zahlreiche Psychopathen in der Business-Welt. Dr. Robert D. Hare von der Fakultät Psychologie der Universität in British Columbia fasst zusammen: „Nicht alle Psychopathen sitzen im Gefängnis. Manche sitzen im Tagungssaal.“ Er bezeichnet diese Art des Psychopathen auch als „Schlangen in Anzügen“. Durch ihre Rücksichtlosigkeit und ihre Egozentrik fällt es einigen Psychopathen leicht, die Karriereleiter heraufzuklettern. Dabei nehmen sie keine Rücksicht auf Verluste und nutzen auch moralisch verwerfliche Mittel, um sich selbst besser dastehen zu lassen. Wirtschaftspsychologe Tomas Chamorro-Premuzic vom University College in London geht davon aus, dass einer von fünf Führungskräften in der Wirtschaft psychopathische Tendenzen zeigt. Psychopathie ist ein enorm komplexes Konstrukt. Genauso komplex sind auch das Leben und Verhalten der Betroffenen. Durch die enormen Unterschiede, die sich aus der Vita von Psychopathen ergeben, bleibt kein Platz für Verallgemeinerungen.
Comments are closed