Schlägereien, Beleidigungen, Aggressivität. Das sind die ersten Assoziationen in Verbindung mit den Türstehern heutzutage. Doch schaut man hinter die Kulissen entdeckt man liebevolle, hilfsbereite und mutige Männer, die sich Mühe geben, jedem Partygast eine unvergessliche Nacht zu bereiten.
Von Yanieke Lale van Doren
Samstagabend 21 Uhr auf der Heinrich-Heine-Allee in Düsseldorf. Alexander M. ist Türsteher in der Bar Sir Walter, die sich nach 22 Uhr in einen Club umwandelt. Die Tür öffnet sich und es erscheint ein 1,92 Meter großer Mann mit einem breiten lächeln und bittet einen herein.
Es ist kaum zu glauben, dass diese große, leere Bar in nur wenigen Stunden aus allen Nähten platzen wird. Überall klirren Flaschen und Gläser, Menschen rennen umher um der Bar den letzten Feinschliff zu geben bevor sie an diesem Samstagabend ab 22 Uhr ihre Türen öffnet. Dunkle Möbel, schwarze Wände und edle Sofas als Sitzgelegenheit verursachen einen verruchten doch edlen Flair. Niemand wäre verwundert, wenn New Yorker Börsenmakler, Musiklegenden oder James Bond unter den Gästen wäre.
Zunächst ein Blick hinter die Kulissen. Alexander ist 32 Jahre alt, Personal Trainer und hauptberuflich Sozialarbeiter, seit er sein Studium der Reformationspädagogik abgeschlossen hat.
Im Aufenthaltsraum trifft er auf seine anderen Kollegen. Das Gefühl einer Mannschaft, die gemeinsam in der Umkleidekabine sitzen, macht sich im gesamten Raum breit. Alle lachen zusammen, machen Witze, freuen sich auf ihre Schicht.
Nicht nur für eine Nacht
„Dieser kitschige Spruch, wir sind eine Familie, hört sich vielleicht doof an, aber es ist so. Manche der Männer kenne ich bereits sieben Jahre. Wochenende für Wochenende verbringen wir hier zusammen. Natürlich entstehen da enge Freundschaften.“
Die Uhr zeigt 22 Uhr. Alexander reicht mir eine Decke und wir begeben uns nach vorne, wo die ersten Partygäste bereits vor der Türe stehen.
Alles läuft friedlich ab, keine Auseinandersetzungen nur Harmonie. Noch.
„Viele denken, dass wir den Konflikt suchen, aggressiv und gewalttätig sind. Was viele nicht verstehen ist, wir versuchen stets ernsthaft einzuschätzen, ob die Person, die uns gegenüber steht in den Club gehört. Dabei spielt die Herkunft, Religion, das Aussehen oder was auch immer keine Rolle für uns. Wir beurteilen lediglich, ob es aus Sicherheitsgründen Sinn ergibt. Wir sind verantwortlich für die Sicherheit des Clubs, der Partygäste und natürlich auch unseres gesamten Mitarbeiterteams.“
Aggressiv durch Alkohol
Je später es wird desto voller wird nicht nur der Club, sondern auch die Partygäste, die in der Schlange auf den Einlass warten.
Es fallen immer mehr Beleidigungen seitens der Gäste. Grund ist die lange Wartedauer. Flaschen zerbrechen, Menschen schubsen sich, drängeln sich vor. Doch Alexander und seine Kollegen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Souveränität und innere Ruhe scheinen hier essenziell. Doch bleibt das wirklich so? Was ist mit all den Klischees? All den Vorurteilen? All den Schlägerei Geschichten von Bekannten?
„Natürlich ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen und uns ist klar, dass es genügend andere Beispiele gibt. Gerade in Clubs, in denen der Background des Türstehers nicht ausreichend gecheckt wird, bevor er eingestellt wird. Wir sind hier alle ausgebildete Security Leute, die wissen was sie tun und was ihre Aufgabe ist. Das ist leider längst nicht überall so.
Seelsorge statt Suff
Der Raucherbereich eines Clubs ähnelt dem Wartebereich eines Therapeuten. Verschiedenste Menschen, erzählen ihre Lebensgeschichten. Sie lachen, schreien, weinen, manchmal alles auf einmal. Im Sir Walter befindet sich der Bereich direkt am Ein- und Ausgang. Somit verwandeln sich die Türsteher jedes Wochenende in die beste Freundin, den Seelsorger oder den Feind und auch das manchmal alles auf einmal.
Sie stehen der Frau bei, die gerade zusammenbricht, weil ihr Freund drinnen eine andere geküsst hat. Sie fangen die Person auf, die verschwitzt mit leerem Blick aus der Tür gestolpert kommt und rufen ein Taxi. Sie beraten den erfolgreichen Geschäftsmann der alleine in die Bar kam und seit zwei Stunden jedes noch so kleine Detail über sein nächstes großes finanzielles Projekt erklärt. Sie sind einfach da. Dabei sind sie aufmerksam, geben sich Mühe jeden zu verstehen und Lösungen zu finden, sodass jeder ein paar Stunden später aufwachen und mit einem lächeln an den Abend zurückdenken kann.
„Wir wollen einfach ein gutes Beispiel sein. Es zumindest versuchen. Natürlich sind wir hier auch nicht perfekt. Uns unterlaufen auch Fehler, wir handeln vielleicht nicht jederzeit zu hundert Prozent richtig. Aber wir versuchen es. Wir geben unser bestes.
Schicht im Schacht
Es ist inzwischen 05:12 Uhr in Düsseldorf. Die Musik schallt von drinnen hinaus und erfüllt die Heinrich-Heine-Allee mit einem dumpfen basslastigen Klang. Die Schlange ist kaum noch drei Meter lang und es gehen mehr Menschen hinaus Richtung Taxi als hinein zur Garderobe. Die Lage ist entspannt. Alexander stand bereits Donnerstagabend und Freitagabend, stundenlang bei teilweise -3 Grad Celsius an der Tür. Er darf schon Feierabend machen. Alexander gibt sein Funkgerät ab, trägt seine Zeiten in die Liste ein, holt sich einen Drink an der Bar und setzt sich wieder raus zu den anderen und lässt den Abend gemeinsam mit seinen Kollegen bei lautem Gelächter und endlosen Geschichten des Nachtlebens ausklingen.
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