Der Arbeitsplatz des Friedhofgärtners Philipp Ludwig (29) ist der Südwestfriedhof in Dortmund. Dieser Friedhof ist kein gewöhnlicher Friedhof. Man würde meinen, dass der Südwestfriedhof ein Ort der Stille ist. Doch findet auf dem Friedhof mehr Leben statt als manch einer denkt.

Von Chimène Goudjinou

Ein kalter, bewölkter Morgen Anfang Februar in Dortmund. Die Tür der Friedhofsgärtnerei ist abgeschlossen. Das verglaste Gebäude gewährt dem Betrachter einen Einblick in die hell erleuchtete Gärtnerei.

Philipp und Mitarbeiter Sebastian Pollex laden auf dem Hinterhof der Gärtnerei ihre Arbeitsgeräte auf die Ladeflächen ihrer kleinen grünen Autos. Dazu gehören Gartenschere, Schaufel und Gartenharke. Es dauert eine Weile, bis das Auto startet. Der laute Dieselmotor durchbricht die Stille. Der Wagen tuckert über den Friedhof. Es riecht nach dem Energy-Drink, den Philipp neben sich stehen hat. Man wird im Wagen durch jeden Hügel und jede Unebenheit durchgeschüttelt.

Die Friedhofsgärtnerei gehört Philipps Vater Jens. Den Standort gibt es schon seit mehr als 100 Jahren. Unter Jens Ludwig läuft die Gärtnerei seit 2002. Philipp ist in einer Gärtnerfamilie groß geworden. Durch sie ist er Friedhofsgärtner geworden. Er kannte es nie anders und konnte sich schon früh für die Gärtnerei begeistern. So war ihm schon früh bewusst, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten wird.

Gärtner die aufhören

Philipp kniet an einer Grabstätte und schneidet mit seiner roten Gartenschere die Äste eines Strauchs ab. Es knackt, er wirft einen der Äste hinter sich. Man hört den Motor einer Kettensäge. Es laufen Fußgänger an ihnen vorbei, die ihnen grüßen. Es sind auch Kunden dabei. Philipp kennt die meisten Menschen, die bei ihnen beigesetzt werden. Es sind oft Kunden, die sie bei der Bestattung ihrer verstorbenen Angehörigen geholfen haben. „Man darf das alles nicht zu nah an sich ranlassen“, sagt Philipp. Er kennt Gärtner, die aufgehört haben, weil sie es nicht verkraften konnten.

Philipp macht sich immer bewusst, dass es seine Kunden sind. Für sie kann er nur ordentliche Arbeit leisten, wenn er einen gewissen Abstand zu ihnen wahrt. Die Stimmung ist locker. Bei der Arbeit unterhalten sich Philipp und Sebastian und machen zwischendurch auch Witze. Sie haben einen speziellen Humor entwickelt, den andere Menschen als taktlos werten könnten. Doch betont Philipp: „Den Respekt dürfen wir nicht verlieren.“ Er senkt seinen Kopf und schneidet weiter die Äste des Strauches ab.

Partnerbörse: Friedhof

Auf dem Friedhof werden Menschen nicht nur voneinander getrennt, sondern auch zusammengeführt. „Der Friedhof ist auch eine Partnerbörse glauben Sie es mir“, sagt er und lächelt dabei. Einer ihrer Kunden hat das Grab seiner Frau immer regelmäßig besucht. Eines Tages haben sie ihn dann aber händchenhaltend mit einer Frau gesehen. Diese Frau ist zuvor auch immer allein auf den Friedhof gegangen. Beide haben sich auf dem Friedhof kennengelernt.  

Er hebt seine grüne Baseball Cap und streift mit seiner Hand durch seine braunen Haare. Der Wind pfeift. Während Philipp spricht, bilden sich vor seinem Mund Nebelschwaden. Es riecht nach feuchter Erde. Sie haben eine Stunde an der Grabstätte gearbeitet. Vor ihrer Pause möchten die beiden Gärtner noch an einem anderen Grab arbeiten. 

Für viele Menschen ist es befremdlich zu sehen, wie die Gärtner auf die Gräber steigen. (Foto: Chimène Goudjinou)

Mit dem Wagen fährt Philipp an den Gräbern bekannter Menschen vorbei. Einer von ihnen ist der Gründer des Fußballclubs BVB 09. Vor Spielen des BVBs kommt es auch schon vor, dass Fans zum Grab des Gründers pilgern. Philipps Wagen ist heute nicht der einzige auf dem Friedhof. Mit einer Fahrgenehmigung können Angehörige mit ihrem Auto auf den Friedhof kommen.

Der Tod ist kein Tabuthema

Philipp steigt auf den großen Erdhügel des Grabes. Für viele Menschen ist es befremdlich zu sehen, wie die Gärtner auf die Gräber steigen. Doch können sie sonst nicht ihre Arbeit tun. „Einmal meinte eine Kundin zu mir: Gehen Sie von meinem Mann herunter. Das war creepy“, sagt er. Philipp zündet sich eine Zigarette an. Der Geruch von Zigarettenrauch steigt auf. Im Hintergrund hört man Kinder, die sich laut miteinander unterhalten.

Viele Menschen wollen mit dem Tod nicht in Berührung kommen. Doch findet Philipp, dass man sich damit auseinandersetzen sollte. „Ich habe vor, ein Pilotprojekt umzusetzen,“ sagt er. Nach dem Beispiel von Andreas Mäsing, Geschäftsführer der FGG Friedhofsgärtner Gelsenkirchen EG, möchte er mit Schulklassen auf den Friedhof gehen. Bis jetzt gibt sein Vater ab und zu mal Touren auf dem Friedhof. Dann erzählt er den „Besuchern“ von der Geschichte des Südwestfriedhofs und weiht sie in die Naturkunde ein. Denn der Friedhof hat eine Vielfalt an Bäumen und Pflanzen. Doch nehmen and diesen Touren nur ältere Menschen teil. Sie möchten auch die Jüngeren erreichen, damit das Thema in Zukunft nicht mehr totgeschwiegen wird. Philipp setzt sich seine schwarzen Kopfhörer auf. Er greift sich die graue Bodenfräse und zieht wiederholt ruckartig an der schwarzen Schnur der Fräse. Der Motor der Fräse heult auf. Der Geruch von verbranntem Benzin steigt auf. Das laute Brummen des Motors übertönt die spielenden Kinder im Hintergrund.