Überlastete Therapeuten plus mangelnde Therapieplätze ergeben eine verlorene Generation. In Zeiten der Pandemie verbrachte ein jeder beinahe 24 Stunden im eigenen Heim. Während häusliche Aufgaben mehr als ausführlich abgearbeitet worden sind, blieb dabei eines auf der Strecke: Die mentale Gesundheit. Am härtesten traf es dabei wohl unsere Zukunft, die Generation Z.

von Yanieke Lale van Doren

Neele Brenner ist 22 Jahre alt und studiert Humanmedizin an der Medizinischen Fakultät in Essen. „Medizin studieren bedeutet, tagsüber im Hörsaal oder dem Klinikum zu sein und abends mit einer Kanne Kaffee und Kommilitonen in der Bibliothek.“

Privatleben? Fehlanzeige. Abschalten und Ausruhen kommt nicht in Frage. Doch bei dem Versuch, anderen das Leben zu retten zu wollen, bleibt das eigene auf der Strecke.

Allein Gelassen

Jede Generation hat ihre Herausforderungen und Kämpfe in Sachen Politik und Umwelt zu führen. Für die Generation Z sind diese Themen beispielsweise die Klimakrise und Rohstoffknappheit aktuell und belastend. Hinzu kommt eine weltweite Pandemie mit Einschränkungen, Ausgehverboten und diversen Maßnahmen. Die Verarbeitung dessen fällt jedoch schwer, denn die Ansprechpartner fehlen. 

Eine deutschlandweite Umfrage des Verbands für Psychologische Psychotherapeut*innen ergab, dass Menschen im Durchschnitt sechs Monate von der ersten Sprechstunde bis zur Psychotherapie warten. Dass diese Wartezeiten zu lange sind, fand auch Neele im Oktober 2021 und suchte nach einer Alternative. Dabei stieß sie auf eine bestehende jedoch nicht weit verbreitete Methode: Mental Training.

Hilfe zur Selbsthilfe

Selina Koch ist Sportpsychologin, klinische Psychologin und Coach bei Hertha BSC. Sie ist eine von vielen, die sogenannte “Mental Trainings“ gibt.

Mental Training ist eine Art der Gesprächsführung, die je nach Ausbildung des Coaches, unterschiedlich abläuft. Hierbei werden verschiedene Fragetechniken angewandt, die dem Klienten dabei helfen, die Lösung selber zu finden.

Der Unterschied zu einer herkömmlichen Psychotherapie ist, dass bei einem Mental Training keine Heilbehandlungen stattfinden. Es wird keine diagnostizierte psychische Erkrankung behandelt, da die Psychotherapie deutlich tiefer greift als ein Mental Training. Aus diesem Grund  übernimmt die Krankenkasse keinerlei Kosten und die einzelnen Trainings werden somit zu einer Selbstinvestition.

Also Therapie oder Training?

Die eigene Psychohygiene sollte stets priorisiert werden und im Fokus stehen. Selina Koch erklärt, warum das gerade bei der Generation Z so wichtig ist.

„Die Generation Z muss darin unterstützt werden, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen aufgrund ihrer eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Dafür müssen sie sich selbst sehr gut kennen(lernen).“ 

Es ist also gerade für diese immens wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und wenn diese überschritten werden sollten, sich den Bedarf von Hilfe einzugestehen und daraufhin Hilfe zu holen.

Ob nun eine Psychotherapie oder ein Mental Training sinnvoll ist, kann der Coach durch eine fundierte psychologische Ausbildung und mit Blick auf diagnostische Kriterien bereits am Anfang feststellen.

Selina Koch hat nach ihrem Studium und diversen Weiterbildungen Mental Trainings erstellt, die sie individuell an den Klienten anpassen kann und somit gemeinsam mit diesem erreichen kann.

„Im besten Fall werden durch meine Trainings-Prozesse Ressourcen des Klienten erweitert durch z.B. Fragen, die die Selbstreflektion anregen und kleine Aufgaben, sodass dieser am Ende eines Training-Prozesses eine höhere Selbstwirksamkeit aufweist, resilienter ist und sich selbst selbstbewusster zur Seite stehen kann“. 

Das Gelächter, die Gefahr

Ich bin in Therapie. Dieser Satz und die Angst vor den Reaktionen darauf löste auch in Neele  direkt ein mulmiges Gefühl aus.

Verwunderung, Unbehagen und Gelächter sind im Regelfall die Reaktion.

Eine psychische Erkrankung wird in der Gesellschaft oftmals als Schwäche wahrgenommen. Dabei ist es eine Form der Selbstwertschätzung. Selina Koch sieht Hoffnung in Form von Aufklärungsarbeit, die bereits im jungen Alter starten sollte.

„Diese Themen müssen einfach früher an die Menschen herangetragen werden, sodass bestenfalls die neuen Generationen einfach damit aufwachsen.“

Weil ich es mir Wert bin

Neele Brenner hat 2021 den ersten Schritt gewagt und es seither nie bereut. Wenn der Zeitplan es zulässt und der Bedarf herrscht, nimmt sie an einem Mental Training teil.

„Es ist jedes mal aufs Neue eine Art Erinnerung daran, mich und mein Wohlbefinden nicht zu vergessen. Ich fühle mich danach einfach immer ausgeglichen und kann mich voll und Ganz meinem Alltag widmen, weil ich mit mir im Reinen bin.“