Chris Andersen ist 16 Jahre alt und Tischtennistalent. Sein Traum: Profi zu werden: Dafür lebt und trainiert er im Deutschen Tischtennis-Internat in Düsseldorf. Bei ihm dreht sich alles um den kleinen, weißen Ball.

Von Leonard Maas

Der Tag beginnt für Chris Andersen früh am Morgen. Um 7 Uhr steht der großgewachsene, schlaksige Nachwuchsspieler bereits in der Sporthalle und trainiert. Noch vor der Schule schuftet Chris für seinen Traum von einer Karriere im Sport. Doch von Müdigkeit ist keine Spur. Akribisch arbeitet er an seinem Spiel. Immer wieder ärgert er sich über die Fehler, immer wieder schüttelt er den Kopf, wenn der Ball im Aus landet. Nach 90 Minuten ist die Einheit vorbei, für Chris heißt es schnell duschen und dann zur Schule. Mit der Bahn braucht er eine halbe Stunde, pünktlich zum Unterrichtsbeginn ist er da. Heute bekommt er einige Klassenarbeiten von vor den Ferien zurück. Einsen in Mathe, Deutsch und Englisch hat Chris geschrieben, für ihn keine Seltenheit. „Mir fällt die Schule relativ leicht, ich habe kaum Probleme.“, sagt er. Er geht in die 11.Klasse des Lessing -Gymnasiums, eine Sportschule, wo es für ihn und seine Mitschüler viele Freiräume und Unterstützung für den Sport gibt.

Chris kommt aus Recklinghausen. Seit anderthalb Jahren lebt er im Internat. Der Schritt dorthin ist ihm nicht leichtgefallen. „Ich musste mich entscheiden, wollte aber unbedingt mehr trainieren“, sagte er. Den Umzug in das Internat bereut er nicht. Bis zu seinem Abitur im kommenden Jahr bleibt Chris in Düsseldorf, danach möchte er seinen Sport zum Beruf machen, genaue Pläne hat er noch nicht.

Lockere Stimmung unter den Jugendlichen

Um 13 Uhr hat Chris bereits wieder Schulschluss, mit der Bahn geht es zurück ins Internat.Er ist der erste, der wieder von der Schule zurück ist. In Ruhe macht er sich das Mittagessen warm, von der Mensa des Internats bekommen die Talente dreimal am Tag Essen. Heute gibt es Schnitzel mit Kartoffeln. „Das Essen ist immer gut und für mich ist es einfacher, als wenn ich nach der Schule erst noch was kochen müsste.“ Beim Essen lässt sich der 16-jährige immer wieder zu einem kurzen Dialog mit Internatsleitung Tim Metzlaff oder BFD’ler Ben hinreißen. Das Essen ist bereits wieder kalt, aufgegessen wird es trotzdem. Bis zum Training am Nachmittag ist noch Zeit, diese verbringt er im Aufenthaltsraum mit seinen Internatskollegen. Dabei hat der gebürtige Recklinghäuser immer wieder einen lockeren Spruch auf Lager. Untereinander verstehen sich die 11 Nachwuchs-Tischtennisspieler gut, Streit gibt es nie „Die Grundstimmung ist sehr gut, man hat eigentlich nie Langeweile“, schwärmt der 16-jährige. Damit auch keine Langeweile aufkommen kann, stehen eine Dartscheibe, ein Mini-Basketballkorb und eine Mini-Tischtennisplatte im Internat. Doch Spielpartner zu finden, ist nicht immer leicht. „Darts möchte keiner mehr mit mir spielen. Da bin ich angeblich zu gut“, sagt Chris mit einem Lachen im Gesicht. Heute bleiben die Sportgeräte erstmal frei, stattdessen unterhalten sich die Jugendlichen über verschiedene Themen. Schule, Tischtennis oder auch die Weihnachtsferien stehen im Mittelpunkt der Gespräche.

Bezugsperson Papa

In seiner freien Zeit guckt er sich die Profis an, am letzten Wochenende zum Beispiel das Finalturnier des Tischtennis-Pokals. Doch auch Darts, Fußball und Basketball interessiert den Jugendlichen. Er selbst ist glühender Fan von Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund. Zum Tischtennis ist der Recklinghäuser im Alter von sieben Jahren durch seinen Vater gekommen.  „Mein Vater spielt selbst und ist auch Trainer, er hat mich dann mal mitgenommen und mir hat es direkt Spaß gemacht.“ Aktuell steht Chris unter den besten 20 der U19-Rangliste in Deutschland und spielt bereits in der Herren-Regionalliga für den TTC GW Bad Hamm. In diesem Jahr möchte er es unter die besten 12 der U19-Rangliste schaffen und sich für die Deutschen Meisterschaften qualifizieren. „Mein letztes Jahr lief nicht so gut. Ich hoffe, ich kann mich in 2024 wieder steigern.“

Intensität und Konzentration im Training

Aufmerksam folgt Chris den Tipps seines Bundesstützpunktleiters Dirk Wagner, Foto: Maas

Um 16 Uhr steht für Chris das zweite Training des Tages auf dem Programm. Mit seinen Internats-Kollegen trainiert er unter der Leitung des Trainerteams an den Schlägen Vorhand und Rückhand. Heute teilt sich Chris die Tischtennisplatte mit seinem Trainingspartner Mio. Im Training ist Chris nicht mehr so locker und gut gelaunt wie zuvor. Ähnlich wie bereits im Frühtraining, geht er die Übungen hochkonzentriert an. Immer wieder flucht er leise über misslungene Schläge.  Wenn Bundesstützpunktleiter Dirk Wagner eingreift, nimmt er das Feedback des ehemaligen Bundesligatrainers von Borussia Düsseldorf zur Kenntnis und versucht es direkt umzusetzen. Nicht immer gelingt das sofort. Die Stimmung in der Trainingshalle ist intensiv, an vier Platten trainieren die Sportler, die Bälle sorgen für eine große Lautstärke, die Trainer müssen laut werden, um seine Ansagen hörbar zu machen.  Doch die Trainingsleistungen der Talente passt Bundesstützpunktleiter Wagner nicht. Ironisch fragt er, ob „wir die Schläger in den Weihnachtsferien gelassen haben“ und setzt ein motivierendes „Konzentriert euch, auf geht’s“ hinterher. Zufrieden ist auch Chris nicht mit seinem Niveau, hakt das Training aber schnell wieder ab. „Es geht besser, aber es war dennoch ein solides Training“. Nach zweieinhalb Stunden ist das Training vorbei, die Platten werden abgebaut und die Sportler kehren zurück ins Internat. Am Abend entspannt Chris in seinem Zimmer, guckt Netflix und bereitet sich auf den nächsten Tag vor, wo erneut hartes Training wartet.