Bildunterschrift: Younes Zerioul am Busfenster vom Weihnachtsstand London-Bus. Foto: Fiona Kubillus
Mitten in Bochum auf dem Weihnachtsmarkt steht ein roter London-Bus, der wohl außergewöhnlichste Glühweinstand der Stadt. Für den 23-jährigen Besitzer Younes Zerioul ist er nicht nur Arbeitsplatz, sondern ein Herzensprojekt.
Eine Reportage von Fiona Kubillus
Der Duft von Glühwein und Zimt erfüllt die Luft, während Lichterketten rund um den knallroten Doppeldecker leuchten. 1958 fuhr er als klassischer Bus durch die Straßen Englands. Heute steht er jährlich auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt. Aus einem kleinen Fenster reicht Younes dampfende Becher mit Glühwein. Der Bus ist ihm wichtig, besorgt betrachtet er den roten Lack, der langsam abblättert.
Younes ist in Bochum geboren und aufgewachsen. Er hat wache, braune Augen, kurzes Haar und ein freundliches Lächeln. Vor 5 Jahren begann er hier als Hilfskraft, seit zwei Jahren ist er der Besitzer. In der Weihnachtszeit nimmt ihn der Stand komplett ein, den Rest des Jahres geht er seinem Hauptberuf nach. „Während meiner Ausbildung zum Anlagenmechaniker hat mich ein Freund meines Vaters gefragt, ob ich beim Aufbau des Glühweinstands helfen könnte – Kabel verlegen, Elektrik checken. Dass ich jetzt hier stehe und ihn selbst besitze, hätte ich nie gedacht.“
Hinter den Kulissen: Die Vorbereitung
„Viele unterschätzen, wie viel Arbeit hinter einem Stand steckt.“ Seine Garage ist Lagerplatz für Girlanden, Heizstrahler und den Bus selbst. Seine Mutter Nermine hilft beim Aufhängen der Girlanden und ha den Blick für die Dekoration. Dafür ist Younes sehr dankbar.
Morgens, halb zehn: Glühweinflaschen werden in die Regale eingeräumt, Kerzen und Lichterketten sind geordnet. Der Außenbereich mit dem weißen Zelt, das nahtlos an den Bus anschließt, wirkt nach dem Einschalten der Lichterketten weihnachtlich. Weiße Laternen leuchten über den holzüberzogenen Stehtischen. Eine Note von Spekulatius und Glühweingewürz füllt das Zelt.
Der gebürtige Bochumer erinnert sich: Früher hieß der Bus “ Alte Liebe“, aber er wollte etwas Passenderes. „Jetzt ist er einfach der London-Bus, damit wissen die Leute sofort Bescheid.“
Der ruhige Beginn: Die ersten Gäste
Heute ist er alleine am Stand. „Eigentlich schmeißen nur mein Vater und ich den Laden. Wenn es brenzlig wird, springt mal meine Schwester Nisrine oder meine Freunde ein.“
Ab 12 Uhröffnen sich die Türen des Busses. Die ersten Gäste, meist Familien mit Kindern, bestellen heißen Kakao oder Kinderpunsch. Der Stand ist noch ruhig. „Die Menschen hier machen den Job besonders. Ich treffe alte Freunde, sogar Lehrer.“ Ab dem ersten Glühwein wird auch die Stimmung heiterer und die Weihnachtslichter heller.
Der Duft von Winzer-Glühwein und die Familie als Rückhalt
Ab 18 Uhr füllt sich das Zelt, die Schlange vor dem Fenster wird länger. Younes bleibt gelassen. „Ich kenne den Bus in- und auswendig. Da kann nichts schiefgehen.“
Sein Vater Norbert, ein Weinkenner, sorgt für den perfekten Glühwein. Statt günstiger Tetra-Pak-Weine bietet Younes Qualitätswein von der Mosel an. „Ich möchte den Menschen etwas Gutes bieten, für einen fairen Preis. Der Wein ist sehr aromatisch“, sagt er stolz. Norbert würzt den Glühwein mit einer besonderen Essenz: „Es ist wie eine kleine Hexenkunst“, lacht Younes.
Stress unter dem Motto: Es kommt, wie es kommt
Gegen 20 Uhr erreicht der Betrieb seinen Höhepunkt. Aus den Lautsprechern tönt „Super Trouper“ von ABBA. „Bei uns läuft eher 80er-Musik als klassische Weihnachtslieder – das kommt bei den Gästen gut an“, erklärt Younes.
Das Zelt ist mit Menschen gefüllt, Heizstrahler spenden Wärme. „Manchmal ist es stressig, aber ich nehme es, wie es kommt. Ohne die Unterstützung meiner Familie würde das hier nicht funktionieren.“ Er läuft die steile Treppe im Bus hoch, dabei wackelt es leicht bei jedem Schritt. Rote Kissen und Fleece-Decken liegen auf den Bänken, alles ist farblich abgestimmt. Auf dem Tisch stehen gedimmte Lampen, es erinnert an ein kleines Café. Ein paar Menschen sitzen hier und wärmen ihre Hände am Glühwein.
Der Abschluss eines langen Arbeitstags
Um 22 Uhr wird der letzte Glühwein ausgeschenkt. Die Gäste bleiben noch, plaudern und genießen ihr Getränk. Younes räumt auf, leert die Aschenbecher und kontrolliert die Bestände für den nächsten Tag. Die Arbeitstage sind lang, aber er strahlt Zufriedenheit aus.
„Es ist viel, aber es lohnt sich. Wenn die Leute hier glücklich sind, weiß ich, dass ich alles richtig mache“, sagt er und lehnt sich an die Wand des Busses.
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