Bildunterschrift: Die Finken Apotheke am Marien-Hospital Marl (Foto: Jana Rubart)
Apotheker sind nicht nur Berater, wenn es um Krankheiten geht. Lisa Stosch steckt viel Herzblut und liebe zur Beratung in ihren Beruf. In Zeiten von Online-Apotheken stehen sie vor der Herausforderung, ihre zentrale Rolle im Gesundheitswesen zu behaupten. Und das im Wettbewerb mit der digitalen Konkurrenz.
Eine Reportage von Jana Rubart
9 Uhr: Die Finken-Apotheke am Marien-Hospital öffnet. Die automatisch öffnenden Türen aus Glas gehen auf. Es macht „Ding“, wenn Kunden unter dem Bewegungsmelder in die helle, freundliche und lichtdurchflutete Apotheke gehen. Der Boden aus Laminat reflektiert das Licht. An den weißen Wänden hängen einzelne Holzpaneele. Davor stehen die sieben weißen Kassentresen. Angeordnet wie ein „L“. Hinter einem der Kassentresen steht Lisa Stosch. Eine der diensthabenden Apothekerinnen an diesem Samstagmorgen. Die Finken-Apotheke am Marien-Hospital ist die größte der vier Finken-Apotheken in Marl. In der Woche arbeiten zwei oder drei PKA’s (Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte), zwei Apotheker, vier PTA’s (Pharmazeutisch-technische Assistenten) und eine Auszubildende in der Filiale. „Wenn hier ein richtig volles Haus ist, brauchen wir so viele. Nur samstags sind wir meistens zu fünft“, sagt sie. In der ganzen Apotheke riecht es nach Desinfektionsmitteln. Sehr steril. Es ist angenehm warm. Hinter der Kasse befinden sich eine Menge kleiner, bunter Medikamentenpackungen. Nasenspray, Kopfschmerztabletten oder Halspastillen. Typische Erkältungsmedikation.
Hinter den Kassen, wo der Verkauf und die Beratung der Kunden stattfindet, geht es zu den Büros und Lager. Wo links die PKA’s vor ihren Computern sitzen. Rechts führt ein langer schmaler Gang mit deckenhohen Holzregalen voller Medikamente, Unterlagen und Tüten, zu der Treppe in den Keller, wo sich ein weiteres Lager befindet. Weiter vorne befindet sich das Labor der Apotheke. Eine schwere, dicke Holztür mit einem Fenster trennt das Büro vom Labor.


Lisa Stoschist 28 Jahre alt. Sie hat ihr Pharmaziestudium an der Universität Greifswald abgeschlossen. Ihr brauner Pony fällt locker in die Stirn, die dunkle Brille sitzt auf der Nase. Sie trägt einen weißen Laborkittel über ihrer schwarzen Jeans und den schwarzen Lederschnürstiefeln. Sie scannt ein Rezept ein. „Ich mache viel Rezeptkontrolle, E-Rezept-Abwicklung, Kassenabschlüsse. Beratung übernehmen oft die PTA’s“, sagt sie.
Spagat zwischen Persönlichkeit und Onlineabfertigung
10 Uhr: Ein älterer Mann mit runder Brille auf der Nase steht an dem Kassentresen. „Guten Morgen. Ich hätte gerne meine Blutdrucktabletten“ sagt der Mann. Er gibt Lisa das Rezept. Lisa scannt das Rezept des Mannes ein. „Haben Sie die schon einmal genommen?“, fragt sie. „Ja“, sagt er. Lisa erklärt ihm mögliche Wechselwirkungen der Tabletten. „Das ist das, was Online-Apotheken nicht leisten können. Die persönliche Beratung“, sagt sie.
Viele Kunden lassen sich von diesem Argument nicht überzeugen. Medikamente in Online-Apotheken sind günstiger als in der Apotheke nebenan. Das ist kein Geheimnis. Gerade durch die steigende Inflation zählt bei vielen jeder Euro, was zum Nachteil der Apotheken wird. „Einige sagen direkt: ‚Bestelle ich online, ist günstiger‘“, sagt Lisa später. „Wir machen Rabattaktionen, aber es ist schwierig“, sagt sie. 2024 haben bereits 56 Apotheken in Deutschland geschlossen. „Das wäre, als hätte Thüringen plötzlich keine einzige Apotheke mehr“, sagt sie. Der Druck der Apotheken war noch nie so groß wie jetzt. Ungefähr 44 Prozent aller Deutschen kaufen mittlerweile ihre Medikamente online.
Durch immer einfacher werdende Vorgänge, wie das E-Rezept, wird es immer bequemer, von zu Hause aus zu bestellen. Ein Klick, und die Medikamente sind unterwegs. „Online-Händler kaufen riesige Mengen, wir vielleicht ein oder zwei Packungen. Klar, dass die anders kalkulieren können“, sagt sie. Was Lisa besonders wichtig ist, was die digitale Konkurrenz nicht bietet: die persönliche Beratung.

Medikamente und Inkontinenzeinlagen
Mittlerweile ist es 11 Uhr. Vereinzelt ertönt das „Ding“ vom Bewegungsmelder und die Kälte zieht durch die automatisch öffnenden Schiebetüren rein. Kunden kommen rein, vermehrt Senioren. Sie kaufen Nasenspray, Halsschmerztabletten und Gesichtscreme. „Heute ist der Erste des Monats, das heißt, dass die Senioren sich heute wieder ihre Pflegehilfsmittel und Inkontinenzeinlagen abholen können. Nur wenn sie zum Beispiel eine Pflegestufe haben, die von der Krankenkasse genehmigt wird. Das können sie sich den ganzen Monat abholen, aber ich glaube, die meisten haben Angst, dass am dritten Tag nichts mehr da ist“, sagt Melanie Grewe, eine der PTA’s.
Noch ist es ruhig. Lisa nutzt die Zeit, um Dokumente zu prüfen. Der Geruch von den Pappmedikamentenschachteln und Desinfektionsmittel liegt in der Luft. Dann ertönt wieder das „Ding“ der Tür und plötzlich wird es hektisch. Senioren mit Rezepten, Mütter mit Kindern, eilige Kunden. Bei jedem Tür öffnen hört man die vorbeifahrenden Autos.
„Jetzt geht’s los“, ruft Melanie Grewe, eine der PTA‘s. Lisa nimmt ein Rezept entgegen. Sie gibt das Medikament im Display der Kasse ein. Das Medikament wird durch ein automatisiertes System direkt nach vorne an die Ausgabe gebracht. Ein Zischen ertönt, als das Medikament hinter Lisa im Fach liegt. „Das macht dann 49,99 €“, sagt Lisa. Mit einem lauten Knallen springt die Kasse auf, während sie abkassiert. „Hallo, der nächste bitte“, sagt sie. Eine ältere Dame mit Rollator kommt unsicher an den Tresen. „Mein Arzt hat mir das verschrieben, aber ich bin mir nicht sicher…“ Lisa legt das Medikament auf den Tresen. „Darf ich Ihnen das erklären?“, fragt sie. Die Frau nickt, und Lisa nimmt sich Zeit. Die Dame lächelt. „Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Online hätte mir das niemand erklärt“, sagt sie.
Kurz nach 12 Uhr nimmt Lisa nach und nach die ganzen großen, schweren, grauen Kassen zur Abrechnung mit ins Büro. „Samstage sind oft unvorhersehbar. Mal ist es ruhig, mal nicht“, sagt Lisa. Dann schiebt sie ihre Brille hoch und verschwindet ins Büro. Langsam wird die Apotheke wieder leerer. Es kehrt Ruhe ein. 13 Uhr: Es ist Feierabend in der Finken Apotheke.
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